Unsere Weggefährten

Die schlechten Nachrichten zuerst: mein Ohr ist über Nacht nicht besser geworden. Die Schmerzen sind noch stärker geworden und mein Ohrknorpel ist angeschwollen. Somit ist fast klar, dass ich wahrscheinlich ein Perichondritis, also eine Knorpelentzündung habe, also Antibiotika brauche. Chacho, Mercedes und selbst die 17-jährige Aileen sind besorgt und begleiten mich sogar zur Apotheke. Wir machen vorher noch ein gemeinsames Erinnerungsfoto vorm Haus. Ein Freund der Familie fährt uns noch aus der Stadt heraus, damit wir einen guten Startpunkt haben, um die Daumen in die Luft zu heben. Heute ist mal wieder ein Feiertag, also habe ich mit sehr wenig Verkehr gerechnet. Nach dem gestrigen Tag ist aber alles viel Verkehr. Ein bisschen müssen wir schon warten, aber dann nimmt uns ein Pick-Up mit. Wir kommen wieder auf die Ladefläche. Alles wird gut eingepackt, da es regnet und damit mein Ohr nicht noch kranker wird, aber erstaunlicher Weise bleiben wir bei der Geschwindigkeit unter freiem Himmel trotz Regen trocken. Wir düsen also los und irgendwie erinnert mich dieses Rauschen, wenn man hinten auf einem Pick-Up sitzt ans Motorrad fahren und ich bekomme etwas Sehnsucht. Diese berauschende Stille ist schon was besonderes. Keiner von uns beiden sagt was, der Blick geht in die Natur, über die Felder, Wiesen und Wälder. Hier und da sehen wir ein paar Vögel, viele Reiher, ein Paar Löffler und sogar über 20 Nandus. Nach 100km werden wir an einer großen Weggabelung herausgelassen und gehen zu unserem nächsten Stop, wo wieder der Daumen herausgehalten wird. Vorher sagt uns aber die Spinne, rote Chile-Vogelspinne, noch hallo und geht in Angriffsstellung und wir nehmen Abstand, da wir nicht wissen, ob sie giftig ist, oder nicht. Unsere Biologenfreunde, die auch die Spinnenart bestimmt haben, meinten ja, aber nicht sehr. Aber sicher ist sicher. Das Problem unseres jetztigen Standorts war, dass wir an einer riesigen Straße mit viel Verkehr, vor allem LKW-Verkehr standen und es stark regnete. Wir bekamen also jedes Mal, wenn ein LKW an uns vorbei fuhr, eine ordentliche Ladung Wasser ab. Dass uns so keiner mitnehmen wollte, irgendwie verständlich, aber auch irgendwie unschön, zwei Mädels im Regen stehen zu lassen. Nach 1,5 Stunden warten, fuchtelte ich wahrscheinlich bereits so wild mit meinen Armen, dass sich Jorge ein Herz fasste und anhielt. Ich rannte zum LKW, das Ziel wurde besprochen und wir waren eingeladen. Eigentlich wollten wir nach San Ignacio, da Jorge aber heute nach Posadas fährt, beschlossen wir während der Fahrt auch einen Stop dort einzulegen. Alle drei hatten wir gottseidank zur gleichen Zeit Hunger und es gab ein brasilianisches Gericht Fejoada/Poroto, da wir nun in der letzten argentinischen Provinz, Missionen, vor Brasilien waren. Völlig unerwartet lud uns Jorge auch noch zum Essen ein. Zurück im LKW schlug bei mir die argentinische Angewohnheit der Siesta völlig zu. Da ich eh schon halb im Bett des LKW lag, legte ich mich zusammengerollt neben unsere Rucksäcke und schlief 2 Stunden durch. Als ich wieder aufwachte, war ich in einer anderen Welt. Überall Teeplantagen. Jetzt fehlten nur noch die heiß ersehnten Mate-Felder, aber auch die ließen nicht mehr lange auf sich warten. Da Jorge selbst eine kleine Mate-Plantage besitzt, konnte er uns einiges Wissen vermitteln und ich fragte ihn natürlich Löcher in den Bauch. Wer weiß, vielleicht steht in meinem zukünftigen Haus, neben einem Curry-Baum aus Sri Lanka und lila Mais aus Peru auch bald eine Yerba-Mate-Pflanze. Als die Zollpapiere erledigt waren und wir in der Nähe von Posadas ankamen, wurde im Halbdunkeln der LKW ent- und beladen, während wir daneben standen, Fernando, einen Freund Jorges kennenlernten, Mate tranken und Chipa aßen. Die beiden fanden meinen Humor zum Schreien und machten ebenso viele Witze. Ich übersetzte fleißig alles für Anna und sie dachten, ich erzähle ihr irgendeinen Blödsinn, weil ich anscheinend immer etwas verschmitzt dabei lachte. Danach sollte es weitergehen. Der Plan war, dass wir noch was gemeinsam in der Stadt essen gehen. Was dann aber geschah war etwas bescheiden. Wir fuhren wieder durch die Zollkontrolle durch und standen quasi wieder weit weg von der Stadt, die LKW durften nun nicht mehr rein. Die beiden Männer wollten sich duschen, es gab aber keine Duschen und nachdem klar war, dass wir nicht mit in ihren LKWs schlafen wollen, wollten sie auch nicht mehr mit uns essen gehen. Nett waren sie trotzdem noch und warteten mit uns auf das scheinbar unerreichbare Ziel ein Taxi dort zu bekommen und bezahlten es auch, da sie uns ja erst in die Situation manövriert hatten. Nach dem ganzen Hin und Her gönnen wir uns dann heute mal eine Unterkunft zum bezahlen. Fühlt sich aber auch nicht anders an. Bett bleibt Bett.

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