
Yoga bei hartem Wellengang ist gar nicht mal so einfach. Es ist aber auch irgendwie interessant und intensiver. Es hilft manchmal noch tiefer in die Dehnung zu gehen. Es entspannt und lockert alles, was noch zwickt und klemmt von der letzten Nacht. Nach dem Frühstück gab es dann direkt eine Vorlesung zur Fauna in der Antarktis, danach eine zum Kajaken in der Antarktis und im Anschluss noch eine super interessante über Glaciology, also die Lehre von Gletschern, wie sich Gletscher bewegen, wieso und wie man Gletscher lesen kann. Ich bin mir sicher, ich werde jetzt eine ganz andere Sicht auf Gletscher haben, als vorher. Ich werde in ihnen jetzt immer eine kleine Geschichte sehen, woher sie kamen, wohin sie gehen, was sie erlebt haben und was vielleicht in naher Zukunft geschehen wird. Zum Mittag sitze ich gemeinsam mit der Expeditionsleiterin aus Edinburgh zusammen. Hiernach wird es etwas entspannter. Die meisten machen einen Landschaftsfotografiekurs. Ich entscheide mich dazu, zusammen mit John auf das oberste Deck ganz vorn auf dem Schiff zu gehen. Wir wollen endlich unseren ersten Wal sehen. Wir bekommen unerwarteter Weise eine Mate-Runde spendiert. 2 Minuten nachdem wir draußen sind, ruft jemand “Eisberg!!!”. Und tatsächlich, wir sehen die ersten Eisberge. Ich schreie laut auf und mir stehen die Tränen in den Augen. Wir können es nicht fassen. Wir sind 8 Leute auf dem Deck. Der Moment ist magisch, der Nebel tut sein übriges. Wir schauen alle auf die Uhr, denn wir haben auf dem Schiff eine Wette abgeschlossen. Wir sollten alle schätzen, wann wir den ersten Eisberg sehen. Es ist 8 Minuten nach 2. Ich habe mein Geburtstag genommen, ich habe mit 02:07 tatsächlich gewonnen, ein Bier, naja, wird weitergegeben. Wir schauen weiter in die Ferne genießen diesen unglaublich Moment während die Kälte in unsere Knochen kriecht und uns aufgrund aller Herzenswärme nichts anhaben kann. Die ersten wollen wieder von Deck gehen, als John ruft: “Wal!!!”. Wir schauen alle gespannt in die Richtung, die er uns vorweist. Die Sekunden vergehen wie Stunden. Und plötzlich taucht er auf und zeigt uns seinen Bauch, ich springe mit dem Geländer in meinen Händen in die Luft, ich kann es nicht fassen, kann die Freudenschreie nicht in mir halten, die Tränen rennen mir diesmal über die Wangen. Was für ein Moment. Ich bin der glücklichste Mensch derzeit auf Erden. Unsere strahlenden Augen treffen sich. Kannst du das glauben? Passiert das wirklich gerade? Was für ein Moment! Noch einige Male atmet er sichtbar mit einer riesigen Wassersäule aus und verschwindet dann komplett. Was für ein riesiger Pottwal. Eigentlich sollte ich Gänsehaut von der Kälte haben, aber ich bin mir sicher, dass diese von der unglaublichen Szenerie her rührt. Wir sind unheimlich froh, Teil dieses Augenblickes gewesen sein zu dürfen. Wir gehen auf die Bridge zum Kapitän und beobachten von dort noch ein wenig, aber sehen nur einige Seevögel von dort. Nach der ganzen Aktion wollen jetzt alle was sehen und tatsächlich häufen sich die Sichtungen ab jetzt. Wir sehen Wale, Delfine, Pinguine, Robben, alles mögliche verteilt über den ganzen Tag und von allen möglichen Orten des Schiffes aus. Ein ganz besonderer Ort war heute für mich die Sauna. Ich habe mich für den Sauna-Stretch eingetragen. Die Sauna hat ein Fenster und ich hatte einen super Blick nach draußen. Mitten in der Einheit sehe ich wieder einen Pottwal. Das ist doch einfach nicht mehr wahr. Ich, bei 80°C in der Sauna, sehe einen Wal im 0°C kalten Wasser und das nicht über einen Bildschirm. Wir machen diese Reise, Angaben zu Folge zum besten Zeitpunkt, da aktuell Walhochsaison in der Antarktis ist. Wale kommen von überall her, um hier ihre Babys zur Welt zu bringen und aufzuziehen. Nach der einheizenden Einheit plaudere ich noch etwas mit der Yogalehrerin aus Finnland auf dem Balkon während wir in unseren Bikinis auf die raue See hinausschauen. Hiernach gibt es nur noch die Besprechung für den morgen Tag. Wir sind super voran gekommen, kommen also diese Nacht irgendwann in der Antarktis an und morgen früh 7:30 ist unsere erste Expedition geplant. Nach dem Abendessen geht es also sofort ins Bett, da der Wecker auf 4:15 zum Sonnenaufgang gestellt ist. Die Wildnis ruft!