Barafu-Camp – Stella Point – Barafu-Camp – Millennium-Camp (12km, 2900hm, 14h)

Der Wecker klingelt 23 Uhr. Der Plan war es um 12 los zu marschieren, bis Avi mit allem fertig ist, ist es 0:42. Zum “Frühstück” gebe ich Coca-Tee aus Südamerika aus. Ich habe mich wieder mit meinen Medikamenten aufgepeppelt. Es ist stockfinster Nacht. Vor uns zeichnet sich der Weg ab, durch die Wanderer die bereits gestartet sind und sich den Weg mit Stirnlampen kenntlich machen. Eine Schlange an Lichtern steigt den Berg hinauf. Der Sternenhimmel ist unglaublich schön, aber es ist bitter kalt. Wir starten mit unserer Tour. Im Schneckentempo geht es den steilen Berg herauf. Mit Ibuprofen fühle ich mich sehr gut. Die anderen beiden haben Probleme. Avi ist extrem schläfrig. Ich Versuche ihn anzutreiben, aber er hängt nur auf seinen Stöcken und kann keinen Meter weiter. Ich entferne den Schal vor seinem Mund, damit er mehr Sauerstoff bekommt und helfe ihm beim tiefen Atmen. Auch wenn die Luft und der Wind extrem kalt sind, wir müssen sie einatmen. Nach dem Ultimatum, dass ich Avi stelle: Du musst dich entscheiden, entweder hoch oder runter! Wir können hier nicht länger stehen bleiben, es ist zu kalt! Es sind etwa -20°C, aber der starke Wind macht es bestimmt zu -40°C. Avi entscheidet sich. Es geht bergauf. Im Nachhinein berichtet er mir, dass ihn nur meine Worte angetrieben haben. Die ganzen 10 Stunden bis hoch zum höchsten Punkt. In kleinen Stücken kämpfen wir uns voran. Wir laufen 45-60 Minuten und machen dann eine kurze Pause von 5 Minuten, verschnaufen, schnappen Luft, trinken unser eiskaltes Wasser und essen Snacks, um den Zuckerspiegel oben zu halten. Die Wasserflaschen lagern wir verkehrt herum in unseren Rucksäcken. Falls die Oberfläche einfriert, können wir so immer noch trinken, da es ja am Boden gefriert durch unsere Taktik. Mittlerweile tragen unsere Guides und Porter unser Gepäck. Zum Gipfel werden wir von Isack und Rahim unseren Guides und 2 Portern, den sogenannten summit Portern, Amin und Sadic, begleitet. Sie tragen Sauerstoff für den Notfall und sonstiges Notfallequipment. Allen ist angenehm nur mir ist durch mein Fieber bitter kalt. 2 Paar dicke Socken, 2 Paar Handschuhe, 3 Paar Hosen und 6 Schichten für meinen Oberkörper reichen nicht aus. Gottseidank haben wir noch eine Daunenjacke, die ich noch anziehen kann. Wie ein kleines Michelin-Männchen steige ich herauf, versuche wie ein Segel im Wind dagegen anzukommen. Nach 8 Stunden laufen lässt die Wirkung meiner Medikamente nach. Ich fühle mich nicht nur elend, auch meine Lunge tut extrem weh. Meine Bronchitis macht es mir doppelt schwer. 3 Punkte schmerzen so sehr, dass ich Angst habe. Langfristige schäden davon zu tragen. Meine Atemfrequenz ist stark erhöht. Ich stehe hier ruhig. Wenn wir laufen, schaffe ich eine Fußlänge in 3 Sekunden. Jeder Schritt ist eine neue Herausforderung. Der Sonnenaufgang bringt kurze Hoffnung. Kurz vorm Stella point entscheide ich abzusteigen. Der Stella Point ist oben auf dem Krater Rand. Gehe ich noch die paar Meter? Nein! Meine Gesundheit ist mir wichtiger. Die Lunge Schmerz zu sehr. Ich bin nicht mal höhenkrank. Ich ärgere mich. Seit 6 Jahren möchte ich hier hoch und nun, dass ich hier bin, bin ich krank. Ich atme etwa 100 Mal pro Minute. Ich setze mich kurz hin, plötzlich wird mir übel und ich muss mich übergeben. Die Entscheidung steht: Isack steigt mit mir ab. Dass ich so weit gekommen bin, ist ein Wunder. Jeder bewundert mich, doch ich bin enttäuscht. Ich werde noch einige Tage brauchen, um meine Leistung zu akzeptieren und Wert zu schätzen. Andere haben ohne Fieber und mit gesunder Lunge schon 2 Tage vorher aufgegeben. Ich bin bis zum Kraterrand gekommen. Die beiden Jungs gehen weiter. Sie kämpfen sich noch bis zum Wegzeichen durch. Für mich geht es jetzt im tiefen Schotter senkrecht zum Hang den Berg hinab. Isack möchte mich tragen. Das kommt für mich absolut nicht in Frage. Er meint, wir müssen schnell absteigen, aber ich versuche ihm zu erklären, dass ich nicht höhenkrank bin und langsam machen muss. Nach 20 m Abstieg brauche ich eine Pause, da ich völlig außer Atem bin. An uns laufen so viele Leute vorbei, die höhenkrank geworden sind und wie besoffen gar nicht mehr bei sich sind. Bei mir ist es nur meine Bronchitis. Ich bin ganz hier im Moment und auch Isack realisiert langsam, dass ich anders bin. Wir steigen also in aller Ruhe ab. Wir genießen die Ruhe, die Zeit und teilen unsere Snacks mit anderen, die völlig geschafft sind. Mit mehr Ruhe und mehr Abstieg geht’s mir immer besser. Der Wind lässt auch langsam nach und die Sonne wärmt mich und ich ziehe eine Jacke nach der nächsten aus. Unten am Camp angekommen darf ich mich kurz ins Zelt legen. Ich schlafe sofort ein. Wir sind immer noch sehr hoch, aber Isack hat verstanden, dass ich einfach nur ruhen muss. Ich werde geweckt, es gibt Mittag. Es gibt eine Pizza, die in der Pfanne gebraten wurde, ich bin begeistert. Nachdem der Magen voll ist, kann ich endlich wieder eine Ibuprofen nehmen. Mit dessen Wirkung geht’s wie ein neuer Mensch weiter. Wir steigen weiter ab zum Millenium-Camp auf 3900 m. Wir lassen uns extrem viel Zeit. Wir bleiben ab und zu stehen und unterhalten uns über dies und das. Das Wetter ist nun angenehm, die Sonne wärmt uns. Ich hoffe dass es den Jungs gut geht. Die Hubschrauber fliegen unentwegt. Alles ist wie ein Traum. Mir geht es gut, auch wenn ich extrem viel Schleim abhuste. Als wir am Millenium-Camp ankommen, bauen wir gemeinsam das Zelt auf. Die Jungs müssen Mittag in dem anderen Zelt im anderen Camp essen, damit ich hier unten mich schon mal wieder hinlegen kann. Ich schlafe die gesamte Zeit. Ab und zu schaut Isack nach mir, um sich zu vergewissern, dass alles in Ordnung ist. Als ich wach werde, ist es bereits dunkel, die beiden sind immer noch nicht da. Langsam mache ich mir Sorgen. Aber von den Portern wird mir gesagt, dass sie im Barafu-Camp angekommen sind. Als die beiden im Millenium-Camp ankommen, sind sie völlig erschöpft und fallen in die Schlafsäcke.