Neues Naturweltwunder

Am letzten Tag in Kapstadt war es endlich so weit, ich machte mich auf den Weg zum Tafelberg. Handré’s Wanderstöcke in der Hand, hatte ich 1000 Höhenmeter vor mir. Von der Stadt machte ich mich in den Deer Park, wo ich direkt mal wieder einen Dämpfer bekam. Ein Mann, der sich als Parkplatzwächter auswieß, hatte Sorgen, mich allein durch den Park zu lassen. Ich solle doch lieber auf ein paar Leute warten, die dann mit mir zusammen durchgehen würden, aber da Handré mich hat allein laufen lassen, denke ich mir, es wird schon halb so schlimm sein und mache mich auf den Weg. Im Notfall bekommt irgendwer die Wanderstockspitze zu spüren, der mir zu Nahe kommt. Der Wächter fühlt sich unwohl aber ich gehe los. Ich soll ja keine Kopfhörer tragen, aber das mache ich sowieso nicht, wenn ich in der Natur unterwegs bin. Ich steige also im Deer Park von der Stadt aus auf und komme irgendwann am Startpunkt der Wanderung an. Schon jetzt muss ich sehr viel trinken. Heute ist wieder mal keine Wolke am Himmel und somit ist es super heiß beim Aufstieg. Es geht los. Der schmale Pfad führt mich die Platteklipp nach oben. Die gesamte Zeit steil. Ich bin froh die Stöcker dabei zu haben. Der Schweiß läuft mir nur so im Gesicht hinunter. Aber ich bin gut drauf. Mein Motto ist immer “slowly, but surely and steady”-“langsam, aber sicher und stetig”. Am Ende hole ich sogar alle wieder ein, die mich am Anfang viel zu übereifrig überholt haben. Meine Ausdauer ist einfach unschlagbar. Wenn ich eines kann, dann lange Aufstiege meistern. Das einzige, was anstrengt, ist die Hitze. Ich will mir nicht vorstellen, wie es hier im Sommer ist. Jetzt ist fast Winter und absolute Nebensaison. Gottseidank, denn die Massen, die mir angekündigt würden, treffe ich nicht an. Der Aufstieg geht durch eine Felsspalte nach oben. Der erste Schatten wartet also oben, wenn man näher am Fels ist. Die Akustik ist spektakulär hier. Jeder freut sich über die 1000-fach wiederkehrenden Echos. Fängt einer von unten an etwas zu schreien, stimmen alle anderen Wanderer mit ein und man jodelt gemeinsam um die Wette, was allen neue Kraft gibt. Die Stimmen prallen an den Wänden ab und werden hin und her geworfen. Und dann kommt der “Gipfel” doch eher als erwartet. Ich bin oben, oben auf dem Tafelberg. Hier ist fast alles flach. Da ich noch nicht ganz befriedigt bin, überlege ich mir kurzer Hand zu dem höchsten Punkt zu gehen, den ich vor zwei Tagen vom Devils Peak aus gesehen habe, weiß aber nicht so genau, wo lang ich gehen muss. Ich spreche eine Truppe an, die sich hier auszukennen scheint. Mir gefällt die Antwort: “The way takes you all the way along the table” – “Der Weg wird dich einmal über den gesamten Tisch (Tafel) führen”. Ich mache mich also auf den Weg, um den Tisch von oben zu entdecken. Zunächst führt der Weg über die Felsen, manchmal Granit, manchmal Sandstein. Was mich allerdings sehr verwundert, wie schnell es feucht wird. Wo kommt das viele Wasser her? Ich hatte eine völlig trockene Steinplatte hier oben erwartet, aber stattdessen ist hier ein Feuchtgebiet mit sämtlichen Schilf- und Gräserarten. Holzstege führen über die sumpfigen Gebiete, wenn mal keine Steinplatten vorhanden sind. Die Aussichten sind die gesamte Zeit spektakulär. Umso mehr ich aber in die Mitte des Tisches komme, umso weniger sieht man. Irgendwann habe ich die Mitte passiert und der Blick öffnet sich wieder. Ich entdecke den Maclear’s Beacon, den höchsten Punkt. Er ist zwar nur einige Meter höher als der Rest hier oben, aber es fällt auf. Dort angekommen, wundere ich mich, dass ich den Devils Peak nicht sehe, bis mir auffällt, dass er heute in den Wolken liegt. Ich setzte mich mit Blick in Richtung Kap-Halbinsel schauend auf die andere Seite und genieße meine Gipfel-Snackpause. Das T-Shirt wird ausgezogen und aus Sonnenschutz über den Kopf gezogen. Ich möchte keinen Sonnenstich riskieren. Als ich fertig mit ausruhen und genießen bin, geht es wieder los und irgendwie sieht alles anders aus. Früher wollte ich auf Wanderungen nie den gleichen Weg hin und zurück laufen, bis ich begriffen habe, dass es aus jedem Blickwinkel anders aussieht und genau das war heute der Fall. Die Aussichten waren ganz andere. Ich entdeckte einen Stausee, und hatte ganz andere Einblicke auf die Halbinsel. Die Grillen oder vielleicht waren es auch Frösche, ich konnte es nicht wirklich identifizieren, musizierten fleißig für mich, während ich ab und zu inne hielt, die Ruhe oder eben das Konzert genoss. Keine Mensch begegnete mir. Als ich wieder bei der Platteklipp angekommen war, beschloss ich auf die andere Seite zu gehen. Hier waren alle Leute, den hier in der Nähe befand sich auch die Seilbahn. Die Aussichten waren unbezahlbar. Auf die 12 Apostel, eine Bergkette, wo ich am liebsten mein Kletterseil direkt herausgeholt hätte und nun auch der Atlantik. Alle 5 m weiter änderte sich das Bild. Überall standen Hinweistafeln zum informieren über die Natur, bis ich vor einem Schild stand, auf dem geschrieben stand, dass der Tafelberge einer der neuen 7 Naturweltwunder ist. Dass das gesamte Gebiet Naturschutzgebiet ist, haben wir mal wieder Nelson Mandela zu verdanken. Umso näher ich zur Seilbahn kam, umso größer wurde die Idee in mir, diese nach unten zu nehmen. Ich genoss erstmal noch jegliche Aussichten und machte von der Bergstation aus das heutige Foto des Tages. Der Tafelberge zur rechten, wie er allmählich in den Devils Peak übergeht, der nun auch klare Sicht hatte. Mit dieser letzten spektakulären Aussicht war ich gänzlich zufrieden und konnte mir ruhigen Gewissens ein Ticket für die Seilbahn kaufen. Und irgendwie freute ich mich auch darauf. Der Kontrolleur freute sich, dass ich scheinbar hochgelaufen war und wir hielten den Verkehr durch unser Pläuschchen etwas auf. Ich betrat als erste die Seilbahn und wusste, ich hatte die richtige Entscheidung getroffen. Sie war halb offen. Noch nie in meinem Leben habe ich das gesehen. Als die Fahrt dann startete und die Kabine sich anfing langsam zu drehen, strahlten meine Kinderaugen. Was für eine Idee. So konnte jeder mal alles sehen. Spitzenklasse. Nach ein und einer Viertel Drehung waren wir unten und alles folgte mir zum Ausgang, wo ich angesprochen wurde, ob es mir gefallen hatte. Ich antwortete höflich und nach kurzem zögern fragte ich nach dem kürzesten Weg nach unten. Ich wusste nicht dass ich es mit dem Sicherheits-Ranger des Tafelbergs zu tun hatte, aber er wollte mich nicht allein nach Hause laufen lassen. Er begleitete mich. Wir gingen die Straßen entlang und kamen ins Gespräch. Er hatte gerade alle Kameras nach Diebstählen und Raubüberfallen kontrolliert und war nun kurz vor Feierabend. Wir hielten ein paar bekannte an, klatschten mit der Polizei ab, Die Kaffeelady vom Startpunkt wurde zum Bus eskortiert und erinnerte sich auch an mich, als ich vor ihrem Stand meine erste Trinkpause machte und ich konnte mehr Vertrauen in die Parkplatzwächter hier gewinnen. Seit meinem Autoeinbruch fällt es mir schwer, diesem Leuten zu vertrauen, aber hier scheinen sie ihren Job zu machen. Robby, der Ranger, bringt mir meine ersten Worte und am Ende sind es sogar Sätze auf Afrikaans bei und ich ihm im Gegenzug deutsch. Wir haben super viel Spaß und ich hoffe mitten in der Strecke, dass er kein Geld von mir verlangt. Aber dem war nicht so. Im Gegenteil, er wollte meine Nummer, was ja kein Problem ist. Eine dicke Umarmung zur Verabschiedung und ich kam wieder bei dem ersten Parkplatzwächter von heute morgen vorbei, der ganz erschrocken war, dass ich immer noch auf den Füßen war. Er war froh, mich sicher und gesund zu wissen. Jetzt hatte ich nur noch einen Weg vor mir. Ich wollte ein kleines Abschiedsgeschenk für Handré kaufen. Danach gings zu ihm und er freute sich riesig über seine Schokolade. Wir verabschiedeten uns, wir werden definitiv in Kontakt bleiben und ich fuhr mit dem Uber ins Hostel für meine letzte Nacht hier. Alle freuten sich, mich wieder zu sehen. Mit Dean aß ich unsere Reste vom gestrigen Abendessen, wir gingen noch gemeinsam ein Eis essen und schauten uns dann gemeinsam auf der Hostel-Couch einen Film an. So hatte ich einen super entspannten letzten Abend hier in Kapstadt. Aber das aller Beste ist, dass ich diese Nacht einen 12er-Schlafsaal für mich ganz alleine habe. Ich werde also gut schlafen können.

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