
Mit Hunger aufzuwachen ist immer ein gutes Zeichen. blöd nur, wenn man nichts da hat. Also verlasse ich direkt nach dem Aufstehen unser Couchsurfing-Zuhause und kaufe erstmal ein wenig ein. Danach wird das Frühstück zubereitet, während Anna noch in der Koje liegt. Danach rufe ich wie eine Mutti nach oben und zitiere sie herunter zum Essen. Irgendwie witzig. Gestern haben wir uns überlegt, uns ein Stadtfahrrad “mi bici tu bici” auszuleihen, es gibt sogar Tandems und damit in den Norden der Stadt entlang des Flusses Rio Paraná zu fahren. Leider ging unsere Rechnung nicht auf, irgendwas hat bei der Erstellung unseres Nutzeraccounts nicht hingehauen, sodass wir kein Rad ausleihen konnten. Wir schlenderten also erstmal etwas weiter, um uns einen neuen Plan zu machen und kamen dabei zum Monumento Histórico Nacional a la Bandera, ein Monument in Ehren Manuel Belgranos, Schöpfer der argentinischen Flagge, welche sie genau hier 1812 das erste Mal gehisst wurde. Man kann sich also vorstellen, dass heute hier sehr viele argentinische Flaggen wehen. Der Plan lautete dann, mit dem Uber zur Rambla in den Norden zu Fahren, da der Bus einen viel zu großen Umweg nahm und somit auch ordentlich Zeit fraß. Dort angekommen, fragten wir in der ersten Guarderia, quasi einer Kajak-Garage nach, ob wir welche ausleihen könnten. Dort nicht, aber man gab uns einen Kontakt. Wir gingen erstmal in die direkt angrenzende Guardería und fragten dort. Dort wurde genau dieser Kontakt versucht anzurufen, aber er ging nicht dran. Der 2. Kontakt meldete sich und unser Kayak war geklärt. Wir gingen in eine andere Guarderia, um dort unser Kajak zu bekommen mussten aber noch warten, um am Ende doch von besagtem ersten Kontakt unser Kajak zu bekommen. 3 Kajak-Garagen hört sich vielleicht viel an, aber es gibt insgesamt über 100.000 Kajaks in 14 Guarderías in Rosario, was 1 Kajak auf jede 10. Person macht. Eines davon zu leihen ist aber gar nicht so einfach, da wirklich alle privat sind. Als wir dann aber eines von Marcos’ Kajak bekamen, paddelten wir mit ein paar Einheimischen los Richtung Isla de los Mástiles, setzten uns aber recht schnell ab und zwar ans Ende. Nicht nur des wegen des Gegenwindes, auch ging es flussaufwärts und wir fuhren um ehrlich zu sein ziemlich im Zickzack. Plötzlich, völlig aus dem Nichts, als ich nach rechts schaute, war da neben uns ein riesen Containerschiff. Gottseidank noch etwas hinter uns, also paddelten wir wie verrückt wieder etwas näher zum Ufer, nachdem wir unser Entsetzen verarbeitet hatten. Da konnten wir dann in Ruhe beobachten, wie das Hochhaus an uns vorbeifuhr, während wir uns wie Mäuse vorkamen. Die nächste Sorge war dann, ob es unter der Brücke durchpasst, aber auch da würden wir am Ende beruhigt. Wir hofften einfach mal, nicht von den Wellen gekentert zu werden, aber mein Ratschlag, locker in der Hüfte zu bleiben, nahm Anna dankend an. Dann stand die Überquerung des Rio Paraná bevor. Gut dass wir nochmal hinter uns schauten, dann da kam schon wieder der nächste Ozeandampfer. Also warteten wir geduldig, wurden wieder von der Strömung zurückgeworfen, bis der Weg frei war. Bei einer Breite von etwa 1 km kamen wir uns manchmal vor, als würden wir absolut nicht von der Stelle kommen. Mein nervöser Blick ging auch ständig flussabwärts, um nicht von einem Schiff im Rio Paraná versenkt zu werden. Aber wir hatten Glück, es kam kein weiteres. Irgendwann waren wir auf der anderen Seite und beide bereits etwas schulterlahm. Aber wir mussten uns jetzt nur noch einen Platz am langen Strand der Insel aussuchen und wären bereit für unsere Pause. Wir strandeten, suchten uns ein schattiges Plätzchen und genauso schnell war ich auch drin im Wasser. Ein bisschen Schwimmen, ein bisschen Entspannen, ein bisschen quatschen und schon kam Marcos nach Feierabend vorbei. Der Strand füllte sich nach und nach. In Rosario weiß man, wie man seinen Feierabend verbringt. Wenn nicht im Kajak, dann im Motorboot, Segelboot oder Jetski. Die Fischer, die seit Anfang an neben uns waren, laden uns ein, zeigen uns voller Begeisterung ihren Fang, fragen wie die Fische auf deutsch heißen und gottseidank erkenne ich die Welse und eine Dorade heißt in Spanisch auch nur Dorado. Beim Boga muss ich passen. Der Übersetzer spuckt Silberfisch aus. Und bei den Fischen sprechen wir nicht von kleinen Fischen, sondern von richtig großen Kloppern mit bis 1 m Länge. Nach der kleinen Lehrstunde ging das normale Strandleben weiter und ich verpflichtete die allseits beschäftigte Anna zum Nichtstun. Auf den Rückweg machten wir uns zusammen mit Marcos und irgendwie schienen wir alle etwas wie auf Drogen, da wir alles witzig fanden und uns kaputt lachten. Trotzdem brauchten wir statt 1,5 Stunden wie auf dem Hinweg nur 30 Minuten für den Rückweg und ich machte mein heutiges Foto des Tages mit Blick auf die Brücke Nuestra Señora de Rosario. Dann stand wieder die große Frage an, wie wir zurück in die Stadt kommen. Ein großes Plus an Anna ist, dass sie genauso reist und reiseerfahren ist, wie ich, das heißt, wir entschieden uns zu trampen. Noch bevor wir unseren Stand eingenommen hatten und gerade über den Zebra-Streifen gingen, hielt ich den Daumen raus, setzte mein Lächeln auf, Anna folgte und das Auto hielt. Ich fragte, ob sie bis zum Monumento fahren und nachdem die Zustimmung kam, war das Auto voll. Anders als erwartet fuhren wir aber nicht weit, sondern stiegen bei der ersten Guarderia aus. Bruno, der ursprünglich von Rosario kommt, derzeit aber in Salzburg arbeitet und einer der Mitinsassen im Auto war, fing an, uns mit seinem Deutsch zu seinem Abschieds-Asado einzuladen. Kurze Absprache mit Anna, wir sind dabei. Wir gehen also gemeinsam zum Haus eines Freundes und schmeißen schon mal den Grill an, dürfen duschen, gehen noch gemeinsam was einkaufen, werden aber zu allem eingeladen, bis der erste Gast, Charlie, mit 3 riesigen Fischen im Gepäck, wie wir sie heute gesehen haben, ankommt. Scherzhaft meinen wir, dass er drei Haie mitgebracht hat. Nach und nach kommen immer mehr Leute, die immer mehr essen mitbrachten. Die Party konnte also starten. Ich entschied, wo die Tische im Garten zu stehen kamen und zu meiner Überraschung hörte alles auf mich. Eine tolle Anmerkung von Anna zu dem Abend: “Ich finde es gerade richtig schön, wie alles seine Eigendynamik entwickelt und jeder mit irgendwas beschäftigt ist und keiner gestresst ist oder gelangweilt und stumm am Tisch sitzt.” Wir standen nämlich entweder in der Runde, tranken schon einen Wein, während wir etwas snackten oder bereiteten den Fisch das Fleisch, Salat oder das Dessert vor. Natürlich war jeder wieder interessiert daran, sich mit uns zu unterhalten und auszutauschen, auch wenn der Anteil der Englisch-sprachigen Leute in der Gruppe nicht so groß war wie In Buenos Aires aber Anna lernt rasant schnell spanisch und den Rest habe ich übersetzten. Irgendwann, ich denke es war bereits nach Mitternacht, war das Asado fertig und wir versammelten uns alle um den Tisch. Die die keinen Stuhl fanden, standen gemütlich hinter den anderen und da Fleisch in Argentinien eh immer aufgeschnitten wir, aßen wir entweder mit den Händen oder gingen um den Tisch mit unserer Gabel und eroberten uns hier und da unser Essen. Als das Essen weg war, wurden die Instrumente herausgeholt und da circa sie hälfte der 25 Leute in einer Band waren, war es, als würde man einem kostenlosen Life-Konzert zuschauen. Und genau so verstrich die Zeit bis in die frühen Morgenstunden.