Mit Adrenalin die Todesstraße hinunter

7:20 Uhr werden wir vor unserem AirBnb abgeholt. Bereits im Minibus, also mit von der Partie ist Kurt, 66 Jahre aus der Schweiz und unsere 2 Guides Juan und Mauricio und der Fahrer, der später immer ganz brav hinter uns her fahren wird. Jetzt müssen wir nur noch die anderen 3 einsammeln und wir sind vollzählig. Billy, mit dem ich in einer Seilschaft auf dem Huyana Potosí war, ist auch dabei. Er hat noch 2 aus seinem Hostel überreden können, sodass wir die gesamte Tour zu einem spitzen Preis bekommen konnten. Los geht es also. Mit dem Bus fahren wir aus La Paz raus, auf 4600 Meter hoch. Hier oben liegt Schnee. Bevor es losgeht, bekommen wir ein kleines Frühstück, Kurt probiert schon mal die Fahrräder aus, während er sich eine Kippe angezündet hat und die anderen wärmen sich am Kaffee oder genießen einfach nur die wunderschöne Aussicht auf die uns umliegende Bergwelt. Nachdem wir uns gestärkt haben, bekommen wir unsere Sachen zugeteilt, da wir bei der Buchung unsere Größe angeben mussten, passt alles recht gut. Schoner für Knie, Schienbeine, Ellbogen und Unterarme, Handschuhe, einmal Plastikklamotten und eine Regenjacke. Bei der Helmprobe ende ich natürlich mal wieder beim kleinstmöglichen. Alles passt und wir bekommen noch unsere Fahrräder zugeteilt. Mit Alkohol segnen wir noch unseren heutigen Tag. Der erste Schluck geht wie immer an Pachamama, der zweite aufs Fahrrad, dass es uns heile den Berg herunter bringt und der dritte ist für uns, dass wir mit Obacht und möglichst viel Aufmerksamkeit, aber auch Spaß und Freude den Tag genießen können. 96-prozentiger Alkohol hat außerdem den Effekt, dass er auch direkt noch ein wenig von innen wärmt. Es kann also los gehen. Die ersten 22 km sind noch auf asphaltierter Straße. Wir können uns also alle erstmal an unsere Drahtesel gewöhnen. Die Beine haben nicht viel zu tun, da wir nur nach unten rollen. Die Hände immer an den Bremsen hieß es. Aber ich fühle mich mit meinem Fahrrad schon jetzt so verbunden und die Straße ist so gut, dass meine Hände schon bald die wenigste Zeit am Lenker sind. Singend fliege ich über die Straße und bin von hinterster Position nach vorn direkt hinter Mauricio gelangt. Auch auf dem Sattel kann ich mich nur schwer halten. Die Natur ist atemberaubend schön. Zu unserer Rechten fließen von den Bergen alle 50 m Wasserfälle die braunen Felswände herunter. Ein, zwei Stopps später und wir kommen an der Abzweigung an, wo die alte Schotterpiste, die den Namen “Death Road” – “Straße des Todes” trägt, von der neuen Asphaltstraße abgeht. Die Schotterpiste war vor dem Neubau der Asphaltstraße die einzige Verbindung hinunter in den Dschungel und aus beiden Richtungen befahrbar. Hier herrscht noch heute Linksverkehr. Wieso? Ganz einfach: Die Straße ist so eng, dass der Fahrer, der Links sitzt, deutlich besser sehen kann, wie weit er an den Abgrund fahren kann, und der Gegenverkehr kann auch besser sehen, wie nah er an den Fels heranfahren kann. Trotz dieser Regel kam es natürlich immer wieder zu Abstürzen von LKWs, Bussen und so weiter, weshalb die Straßen ihren Namen bekommen hat, die gefährlichste Straße der Welt. Heute gibt es die neue breitere Asphaltstraße und die Schotterpiste wird zu großen Teilen nur noch vom Tourismus genutzt. Für uns geht es heute also die gefährlichste Straße der Welt nach unten. Mauricio vorn Weg und ich direkt hinterher. Das gefällt mir. Noch ist es kalt, doch mit jedem Meter, den wir weiter nach unten fahren wird es wärmer und grüner. Wir machen immer wieder kleine Stopps, um die Gruppe wieder zu versammeln und das nächste Stück, das vor uns liegt zu besprechen. Jeder hat seinen Platz in der Schlange, die den Berg herabdüst, gefunden und die Männer sind beeindruckt, wie schnell ich unterwegs bin. Wir sind auch insgesamt eine schnelle Gruppe und überholen 2 andere riesige Mountainbike-Touren auf unserem Weg. Der Weg ist besser als ich anfangs dachte. Der felsige Untergrund mit den vielen großen Steinen verlangt unserem Körper, aber vor allem unseren Händen, alles ab. Dauerhaft scannen wir den Untergrund nach der besten Fahrtstrecke und wenn es dann passt, kommt auch der ein oder andere Sprung, um sich daran zu erinnern, dass man nicht möglichst schnell, sondern mit möglichst viel Spaß hier herunterkommen soll. Ganz vorn steht aber immer noch die Sicherheit und so werden wir ständig auf irgendwelche Schwierigkeiten hingewiesen. Da es Regensaison ist, kommen auch hier immer wieder Wasserfälle auf den Weg herab geregnet, die ich gern mit vollem Anlauf durchquere. Als ich mir später Videos anschaue, musste ich feststellen, dass ich mal wieder die einzige Bekloppte war, die das gemacht hat. Aber es hat unglaublich viel Spaß gemacht und genau darum ging es ja. Ab und zu fliegen uns große Schmetterlinge über den Weg, die je nach Flügelschlag gelb oder blau im Sonnenlicht funkeln. Sie kündigen uns an, dass wir bald im Dschungel sind. Auch unsere Klamotten fallen nach und nach. Am Morgen sind wir noch bei etwa 0°C gestartet und jetzt sind wir sicher bei 20°C. Wir machen einen Stop. Hier gibt es eine Zipline, also ein 500m langes Drahtseil, dass 350m in die Tiefe auf die andere Seite führt. Dazu kann ich nicht nein sagen. In Superman-Pose fliege ich wie ein Vogel über die Bäume hinweg. Was für ein schöner Moment. Nur leider viel zu kurz. Die anderen wollen nicht, also wieder zurück und ein letztes Stück ab auf die Räder. Jetzt ist die Straße etwas besser, also fliegen wir. Trotzdem muss man weiterhin extrem aufmerksam sein. Ein kleiner Fehler und man fliegt vom Fahrrad. Ein paar Mal hebt es mich von den Pedalen. Am Ende hat sich trotz 2 Stürzen in unserer Gruppe keiner verletzt. Gebrochene Schlüsselbeine und Arme sind wohl keine Seltenheit. Außerdem waren wir wirklich schnell. In Coroico, auf 1500 hm angekommen, wartet ein Buffet und eine Poollandschaft auf uns. Mittlerweile sind es 30°C. Was für Gegensätze. Wir schlagen uns also die Bäuche voll und springen ab in den Pool. 3 Stunden lang bekommt man mich nicht heraus. Der ursprüngliche Plan war, um 4 zurück nach La Paz zu fahren. Manche Gruppen haben nur eine halbe Stunde im Pool Zeit zum Erholen. Uns gefällt es hier so gut, dass wir unsere Guides überreden können, bis um 6 zu bleiben, als gerade eine andere Truppe erst von der Death Road ankommt. Wir verstehen uns so gut mit unseren Guides, dass die 3-stündige Rückfahrt zur Party wird. Irgendjemand kauft 6 2-Liter-Flaschen fertig gemischten Cuba libre. Der Becher macht die Runde, viel zu schnell. Wir lernen ein paar Trinksprüche aus Bolivien, nebenbei läuft meine Südamerika-Playlist über Billy’s Lautsprecher. Die Stimmung ist einfach der Hammer, wir tanzen halb und am Ende bleibt der Bus nicht mehr so ganz heile. “Arriba, abajo, al centro, al sexy movimiento” heißt es nur und am Ende sind 5 von den 6 Flaschen leer. Wer das alles getrunken hat, keine Ahnung. Die Guides sind begeistert von unserer Gruppe und hatten super viel Spaß mit uns. Wir werden noch in unseren Unterkünften abgeliefert und hauen uns in unsere Betten. Was für ein unerwarteter Tag.

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