
Unser Weg führt uns heute zunächst zum Rathaus. Dort startet unsere Free Walking Tour mit Roberto von Alpaka Steps. Gemeinsam gehen wir zum Plaza Muelle, wo sich das Regierungsgebäude und der Senat befinden. Hier erfahren wir einiges zur Geschichte Boliviens. Warum heißt es Bolivien? Da 1825 die Unabhängigkeit militärisch durch Simon Bolivar durchgesetzt wurde. Nicht nur durch ihn, sondern auch mit Hilfe von Antonio José de Sucre, weshalb die Hauptstadt den Namen Sucre trägt. Bolivien ist eines der ärmsten Länder Südamerikas, es hat viele Fehler in der Vergangenheit gemacht. Daran soll auch die Uhr erinnern, die am Senatsgebäude hängt. Betrachtet man die Uhr auf dem heutigen Foto des Tages genauer, so fällt einem auf, dass das Ziffernblatt in verkehrter Reihenfolge dargestellt ist. Nach dem Motto: “The past is infront of us” – “Die Vergangenheit liegt vor uns”. Oder wie man zu gut deutsch sagen würde: “Aus Fehlern kann man nur lernen”. Ich finde das irgendwie super tiefgründig und auch interessant, dass sie dazu stehen. Ein weiterer interessanter Fakt ist, dass Bolivien 36 offizielle Landessprachen hat. Es ist also extrem vielfältig und Rassismus ist hier komplett Fehl am Platz. Man kann sogar 5 Jahre ins Gefängnis dafür kommen, wenn man erwischt wird, dass man Rassismus ausübt. Das sollte sich der Deutsche Bundestag auch mal überlegen einzuführen… Als nächstes gingen wir zum Plaza Sucre. Direkt daneben steht eines der weltbekanntesten Gefängnisse der Welt. Warum es so bekannt geworden ist? Ich denke es liegt an der Vielzahl der absurden Fakten, die es hierüber zu berichten gibt. Platz ist hier für 500 Gefangene, die Eintritt zahlen müssen, um in diesem Gefängnis sein zu dürfen. Aktuell leben etwa 2000 Gefangene hier drin. Und nicht nur sie, sondern auch teilweise ihre Frauen und Kinder. Zahlt man nicht, wird man umgebracht. Außerdem ist das Gefängnis dafür bekannt, dass eine Kokainfabrik darin sein soll. “Zucker”, so haben wir es die ganze Zeit in unserer Tour genannt, da wir verhaftet werden können, falls wir das Wort “Kokain” vor dem Gefängnis in den Mund nehmen oder ein Bild vom Gefängnis machen. Der Zucker wird dann mit Tauben in der Stadt oder durch Coca-Cola-Trucks in Südamerika vertrieben. Ich habe also am heutigen Tage beschlossen, Coca Cola abzuschwören. Ich bin völlig baff. Um die Gemüter wieder etwas zu entspannen, gehen wir zu einer der 10 Seilbahnen der Stadt und fahren rauf nach El Alto, um uns hier etwas mit der Aymara-Kultur zu beschäftigen, die man auf dem Markt sehr gut beobachten kann. Was Cholitas sind, wissen wir ja nun schon seit dem Wrestling gestern Abend. Warum sie aber wresteln, beantwortete sich heute. Cholitas sind eine der indigenen Truppen Boliviens, die lange Zeit nichts, aber wirklich gar nichts durften. Heute, seit dem ersten indigenen Präsidenten Morales, sind sie mit allen gleichgestellt. Sie dürfen zur Schule gehen, sie dürfen arbeiten, sie dürfen alles, wieso also nicht wresteln. Cholitas sind harte Arbeiterinnen, da sie es nun endlich dürfen und zeigen auch gern, wie hart sie arbeiten. Als Attraktivitätsmerkmal bei ihnen gelten die Waden, denn wer kräftige Waden hat, arbeitet scheinbar auch hart. Ihren Reichtum zeigen sie gern mit Gold, nicht nur in Form von Schmuck, sondern auch mit Goldzähnen, so hat fast jede Cholita oder auch Caserita (gute Verkäuferin) auf dem Markt, mag sie noch so arm aussehen auf den ersten Blick, Goldzähne. Der Reichtum liegt nicht in der Touristenmetropole La Paz mit seinen abgefahrenen Restaurants und Partys, nein, viel mehr liegt er versteckt hier oben in El Alto. Ganz nach den 3 Grundgesetzen der Aymara, sind sie nicht nur nicht faul, sondern dürfen auch nicht lügen und nicht stehlen. Geschieht es doch und man wird erwischt, kann man getötet werden. Vielleicht fühle ich mich deshalb hier so sicher. Klauen ist in Bolivien kein Ding, Dank Aymara-Kultur. Weiter gehen wir zu den Chiflerias. Hier kommt jetzt das Absurdeste von heute. Bolivianer sind sehr abergläubige Menschen, nicht kirchlich, denn das Ganze wurde ihnen ja eher von den Spaniern aufgebrummt, nein, viel mehr geht es um den Einklang mit Mutter Natur. Wir laufen an einigen Schamanen vorbei, die hier ihre eigene kleine Kommune haben und betreten unsere erste Chifleria. Hier hängen tote konservierte Lama-Feten und Lama-Neugeborene von den Decken zum Verkauf. Wird ein Haus gebaut, opfert man noch heute, Wasser, Blut und Zucker für Mutter Erde. Blut in diesem Fall ist ein Lama. Je nach Größe des Hauses, wird die Größe des Lamas ausgewählt. Kommen wir zu Hochhäusern, wird es noch skurriler und unglaubhafter. Für ein solches Bauwerk reicht kein Lama mehr, dazu braucht es was anderes, einen Menschen. Richtig, noch heute werden Menschen beim Bau eines Hochhauses in Bolivien geopfert. Die Frage ist, wie geht das rechtmäßig und ethisch von statten? “Gut”, dass Bolivien so arm ist. Es hat also extrem viele arme Obdachlose, die ein hartes Leben leben müssen. Freiwillige, die ihr Leben satt haben, können zum Cementerio de los elefantes gehen, bekommen dort Alkohol, und schlafen dann im frischen Zement ein. Sie haben sich damit selbst gerettet, denn sie wachen im nächsten Leben an der Seite von Pachamama – Mutter Erde wieder auf. Unglaublich, aber wahr! Noch heute gibt es das. Völlig schockiert und überrumpelt, fahren wir mit der Seilbahn wieder herunter nach La Paz. Hier verabschieden wir uns voneinander. Super interessante Tour, super interessante Kultur und Geschichte. Jetzt brauchen wir aber etwas Entspannung und gehen erstmal wieder in der Markthalle essen. Diesmal entscheiden wir uns für das traditionelle Gericht Sopa de Maní – Erdnusssuppe. Gestärkt gehen wir in die Verhandlungen des morgigen Tages. Ich habe eine Truppe zusammenbekommen, um die Tour morgen zum günstigsten Preis zu bekommen. Verraten tue ich noch nicht, wo es morgen hingeht, aber wir müssen noch ein paar Besorgungen machen, bevor es wieder zurück in unsere Unterkunft geht. Heute wartet ein Filmabend auf uns. Außerdem traue ich mich auch das erste Mal in Südamerika Essen über PedidosYa online zu bestellen, was auch wieder ein kleines Abenteuer für sich war.