Ich hab das Leben satt

Trotz Regenwetter ging es heute raus. Ich hatte noch meinen Plan von gestern zu erfüllen. Also wieder rein in die Wandersachen und ab in die Stadt. Durch Baños bzw. an Baños vorbei fließt der Fluss (Rio) Pastaza durch eine riesige Schlucht. Baños trohnt quasi darüber. Da ich auf der anderen Seite heut wandern möchte, muss ich also erstmal über eine super hohe Brücke. Und dann sehe ich, wie sich ein Teenager bereit macht für seinen großen Sprung von der Brücke. Natürlich gesichert! Ich schaue mir das ganze an, sieht spaßig aus. Nebenan balanciert jemand über die Schluckt entlang einer Slackline. Ich entscheide mich, ich will auch von der Brücke springen. Nur dieses eine Mal. Ich bin total cool, bis ich auf der Mini-Plattform an der Kante oben auf der Brücke stehe und runter in die Schlucht schaue. Das ist doch wirklich Selbstmord. Bitte, lieber Gott, lass mich am Leben. Tatsächlich habe ich das in diesem Moment gedacht, obwohl ich nicht gläubig bin. Ich soll einen imaginären Köpfer machen, 3, 2, 1, und hops. Ich falle, freier Fall.  Ich kann es nicht sehen, schließe also kurz die Augen oder werde kurz bewusstlos, ich weiß es nicht genau, wenn ich ehrlich bin. Als ich im Seil hänge bemerke ich, alles ist gut, ich brauche ein wenig, um mich zu orientieren und sehe ganz viele Sternchen. Und muss plötzlich anfangen zu lachen. Ich baumel in der Schlucht hin und her. Die Welt steht Kopf weil ich mich in den Gurt fallen lasse und genieße das Leben. Ahora sí, denke ich mir. Jetzt ja. Was für ein Gefühl. Ich werde herabgelassen, aber ich schwinge immer noch so heftig, weil mein Kopfsprung zu kräftig war, also darf ich noch etwas länger auspendeln. Dann muss ich nur noch die Schlucht hochkraxeln und wir verabreden uns für morgen zum Klettern. Falltraining habe ich ja jetzt schon mal wiederholt, kann es also nach viel zu langer Zeit endlich wieder an den Fels gehen. Ich freue mich jetzt schon riesig. Heute aber erstmal wandern. Der Weg führt mich erstmal wieder etwas nach oben in die Felder, in die Orangen und Avocadoplantagen, wo ich heute ganz allein bin, da auch hier zum Sonntag nicht gearbeitet wird. Welch ein Jammer, dass die Früchte noch nicht reif sind. Die einzigen reifen Früchte, die ich finde, sind Wassermelonen. Die möchte ich nun wirklich nicht umher schleppen. Der Blick geht die ganze Zeit auf Baños, auf die Schlucht und den Berg, den ich gestern bestiegen habe. Es regnet immer noch aber das macht absolut nichts, die Ausblicke entschädigem für alles. Ich brauche das erste Mal in Südamerika länger für eine Wanderung als angedacht, da ich so viel stehen bleibe und die Aussicht fotografiere. Der Weg erinnert mich wirklich sehr an die Saalehorizontale in Jena, was mich etwas wie zu Hause fühlen lässt. Ich bin super glücklich aber auch ziemlich geschafft. Der Anblick der Brücke zurück auf die andere Seite motiviert mich nochmal.was für eine schöne Stahlseil-Hängebrücke. Sie ist Recht klein, wackelt aber wie eine große. Unten an der Brücke noch voller Freude, da ich Brücken einfach mag und als ich mich nach oben zur und durch die Stadt quäle und meine Energie suche, entscheide ich mich dazu, eine Pause einzulegen. Eine Pause der besonderen Art, da ich inspiriert werde von der Straße, durch die ich gehe. In südamerika haben ja die meisten Straßen ein Thema, in der einen gibt es nur Stoffläden und in der nächsten nur Automechaniker. Die Straße, durch die ich heute gegangen bin, hatte eine Physiotherapie und Kosmetikstudio nach dem nächsten. Ich bleibe vor einer Preisliste stehen und bin dabei. Man hat mich schon erspäht und fragt mich, ob ich irgendwo Schmerzen oder Probleme habe. Ich meine nur scherzhaft, mein Körper ist das Problem aber im Grunde ist das nicht mal gelogen. Ich darf also 1,5 Stunden einer therapeutischen Ganzkörpermassage genießen, habe am Ende 5 Dollar weniger gezahlt und 30 Minuten mehr bekommen. Wieso weiß ich nicht aber jetzt geht es mir wieder deutlich besser. Jetzt kann ich meinen ursprünglichen Plan fortsetzen. Baños hat nicht nur wunderschöne Natur zu bieten, sondern ist auch aufgrund der vielen Zuckerrohrfelder in der Umgebung ein wahres Candytown. Die gesamte Hauptstraße der Stadt ist ein einziger Süßwarenmarkt. Und jeden Tag wird die zähe Zuckermasse gezogen, mitten auf der Straße. 3 Meter lang bis der Gehweg zu Ende ist. Der Bus fährt vorbei, aber das stört hier nicht. Ich bin auf dem Weg zur Schokoladenfabrik. Am Eingang werde ich gefragt, ob ich eine englische oder spanische Tour möchte. Englisch wäre besser, Spanisch geht aber auch. Ich will keine Umstände machen. Aber ich bekomme eine englische private Führung noch vor allen anderen, die auf den spanischen Rundgang warten. Ich hatte ja absolut keine Ahnung, wie Schokolade hergestellt wird und ich bin sehr froh, dass ich diese kleine süße Fabrik in Baños unterstütze mit meinem Besuch, da sie 100% organisch sind, die Familien der Kakaoplantagen direkt bezahlen und ihre Schoki wirklich nur hier vertreiben. Die Kakaobohnen werden fermentiert, getrocknet, gebacken, gemahlen, mit Überdruck und Hitze gepresst, um die Kakaobutter vom Kakaopulver zu trennen und dann kann man mit der Butter weiße Schoki und mit dem Pulver Milchschokolade oder Bitterschoki herstellen. Alle Produkte der Herstellung können verwendet werden. Die Schale zum Beispiel landet im Tee. Ich bin begeistert. In der Fabrik arbeiten nur etwa 20 Leute und ich darf bei allem zuschauen. Alles geschieht von Hand. Als die Schoki eingepackt wird, komme ich mir wirklich wie bei Charlie und die Schokoladenfabrik vor. Ich darf alles probieren, vom Tee, zum Brotaufstrich, zu den vielen verschiedenen Sorten. Am Ende muss ich mich wehren, nicht noch mehr zu probieren, da ich wirklich nicht mehr kann. Mein absoluter Favorit: Zartbitter mit Zimt. Schmeckt nach 100% Zimt, einfach genial. Vollgefuttert habe ich somit meinen Plan von gestern erfüllt und damit am Ende 2 Tage gefüllt.

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