
Genau gegenüber meiner Unterkunft ist ein Fahrradverleih und genau dort bekomme ich meinen Drahtesel für die heutige Entdeckungstour her. Drahtesel ist vielleicht etwas negativ, nein, es war ein wirklich gutes Mountainbike. Mein Ziel ist “El muro de las lágrimas” – “Die Mauer der Tränen”. Ich habe gehört, dass der Weg dorthin Recht schön sein soll und wusste absolut nicht, was mich erwartet. Sobald ich aus Puerto Villamil herausgefahren bin, fahre ich nicht direkt am Strand aber die “Straße” aus Sand ist direkt daneben.Entlang des Strandes geht es in den Nationalpark ab ins Feuchtgebiet. Entlang des Weges warten, wie mir der Parkwächter erzählt unzählige Stops auf mich, zu denen ich zu Fuß nach links und rechts vom Weg wandern kann. Alles ist super ausgeschildert und sobald es nur noch einen Trampelpfad gibt, stehen Fahrradständer am Wegrand, auch, um die Flora und Fauna zu schützen. Zu Fuß ist man doch vorsichtiger. Der erste für mich spektakuläre Halt ist an einem See mit ungelogen rotem Wasser. Es schimmert nicht braunrote, nein, es ist wirklich rot. Ich zwinker 2 mal, weil ich denke, das kann doch nicht war sein, aber meine Augen täuschen mich nicht. Es ist rot. Wieder auf dem Fahrrad komme ich zu einer Art Kreisel. Hier geht es zu einem Lavatunnel, zum “Playa de Amor” oder weiter Richtung Mauer der Tränen. Auch wenn man teilweise nur 100 m Fahrrad zwischen den jeweiligen Stops hat, ich habe wirklich alle mitgenommen und es hat sich sowas von gelohnt. Als ich in den Tunnel herabsteigen, durch den einst heiße Lava geflossen ist, entdecke ich das Motiv des heutigen Tages. Weiter nach unten und ich bin in einem 6 m breiten Tunnel in dem ich anfangs noch stehen kann, sowie ich aber tiefer hineingehe, wird er immer flacher und ich Ende in der Hocke mit Meerwasser zu meinen Füßen. Wie weit der Tunnel reicht, kann ich aufgrund der Dunkelheit leider nicht einsehen, aber dieser Ort ist magisch. Wieder am Tageslicht, ruft mich ein Pelikan zum Liebesstrand. Hier steht ein Schild: “Achtung! Reproduktionsgebiet der Iguanas!”. Aber ich sehe keinen einzigen. Ich laufe ein paar Schritte zu den Lavafelsen im Meer und erschrecke mich, als ich fast auf einen drauftrete. Und was für einer. Fast doppelt so groß, wie die, die ich bisher gesehen habe. Ich bleibe mit Sicherheitsabstand stehen und jetzt entdecke ich sie. Perfekt getarnt, eins mit dem schwarzen Lavastein sehe ich auch meine ersten Baby-Iguanas. Umso länger ich schaue, umso mehr entdecke ich. Ich sehe jetzt bestimmt 100 Stück, von 15 bis 100 cm. So Fette Faulenzer habe ich nicht erwartet. Ich bin wirklich extrem überrascht und eingeschüchtert. Ich lasse sie ihre Ruhe genießen und fahre weiter. Entlang des Schildkrötenweges und tatsächlich begegne ich einigen Schildis der Gattung vom Vulkan Sierra Negra, die aus dem Zuchtzentrum ausgewildert wurden, da sie eine Nummer auf dem Panzer tragen. Mein nächster atemberaubender Stop ist ein Hügel auf den ich gehe. Von hier habe ich eine spektakuläre Aussicht. Ich sehe Puerto Villamil, was mittlerweile 6 km entfernt liegt, die Isla Tortuga und die Tintoreras-Inseln. Auf der anderen Seite sehe ich Den Cerro azul und den Volcán Sierra negra. Wieder aufs Rad, etwas bergauf und ich bin am Ziel, der Mauer der Tränen, das einzige Relikt, das es noch gibt, als die Isla Isabela nicht wie heute als ein Naturdenkmal genutzt wurde, sondern ein weit entfernter Ort für politische Gefangene und Ausgestoßene war. Ich bin es abgelaufen, um die Mauer auszumessen. Sie wurde per Hand aus Lavasteinen errichtet. Ich kann mir vorstellen, dass einige dabei ums Leben gekommen sind, da die Steine nicht behandelt wurden, sondern so, wie sie in der Natur zu finden sind, Aufeinandergeschichte wurden. Dadurch ist die Mauer bis zu 10 m dick geworden. Wie beeindruckend das Ganze ist, kann man nur begreifen, wenn man davor gestanden hat. 80 Meter stehen noch. Der Rest des Gefängnisses ist nicht mehr zu sehen. Die Höhe kann ich mit 15 m nur schätzen. Ein weiterer Wanderweg führt mich zu drei verschiedenen Aussichtspunkten und endet schließlich mit Blick aufßls Meer, wo die ehemalige strategische Radarstation der Amerikaner im 2. Weltkrieg stand. Heute ist hier nur noch das Fundament erhalten. Die restlichen Metallteile wurden für das Dach der Stadtkirche verwendet. Ein krasser Gegensatz, aber schöner Gedanke eigentlich. Gewalt mit Frieden bekämpfen. Auch hier ist die Aussicht wieder spektakulär weitreichend. Ich sehe einige Regenwolken über dem Meer auf mich zurasen. Nach 1 Minute sind sie bei mir und ich kann nichts mehr sehen, also steige ich wieder ab. Die Rückfahrt macht mir extrem viel Spaß, da es fast nur bergab geht. Der Wächter meinte noch ich soll vorsichtig fahren, da es viele Unfälle dort gab und auch die vielen Schilder weisen darauf hin, aber ich finde keinen Grund. Ich fühle mich sicher und bin im Handumdrehen wieder in der Stadt. Gut, dass ich die vielen Stops auf dem Hinweg gemacht habe und somit die Abfahrt genießen konnte. Ich habe hier nur die mir wichtigsten Attraktionen ausgewählt, es waren weit mehr Stops, als ich erwähnt habe. Dementsprechend k.o. und hungrig bin ich, als ich zurück bin. Ich gehe noch schnell mit Julian etwas essen, bevor wir uns voneinander verabschieden und spätestens, wenn ich wieder in Argentinien bin, wiedersehen. Durch das Regenwetter habe ich heute keine Ambitionen mehr mein warmes Bett zu verlassen, aber ich habe ja auch genügend Eindrücke sammeln können, um mich jetzt aufs Ohr zu hauen.