Keine Papageien am Pico do Papagaio

Die Fähre bringt mich heute in aller Frühe auf die Ilha Grande. Zu meiner Überraschung fährt hier kein einziges Auto, was ich sehr genieße. So ist der Weg zum Startpunkt meiner Wanderung schon eine Wanderung für sich. Anstatt auf einer Hauptstraße entlang zu latschen und vor Autos in Deckung zu gehen, gehe ich auf einem roten Feldweg in Serpentinen mitten im Wald schon ordentlich viele Höhenmeter nach oben. Nach einer dreiviertel Stunde komme ich bei der Beschilderung an: Pico do Papagaio, Höhe: 959 m, Länge: 7,4 km, Dauer: 6 h, Schwierigkeitsgrad: extrem. Rein in den dichteren Dschungel auf den schmalen Trampelpfad extrem steil bergauf. Heute sind es 29°C und die Luftfeuchtigkeit ist extrem hoch, da es die letzten Tage ja auch noch, zur sonst schon sehr hohen Luftfeuchtigkeit, geregnet hat. Dementsprechend dauert es nicht lange bis mein Gesicht nur so davonschwimmt. Der Schweiß läuft mir wirklich in Strömen die Wangen und das Kinn herunter. Ich muss also heute richtig aufpassen genug zu trinken. Über das Wurzelwerk geht es wie auf Treppen nach oben. Die Vögel singen mir dauerhaft ein Ständchen. Da ich mich extrem auf den Weg konzentriere bemerke ich nicht mal die Wegezeichen wie mir später beim Abstieg auffällt. Die riesigen Bäume mit ihren harten Kanten kann man allerdings nicht übersehen und finde sie einfach nur unglaublich, das ist für mich wirklich wie ein Wunder. Ich lege ein ordentliches Tempo ein und treffe nach 2 Stunden auf ein Paar aus Italien. Zusammen gehen wir die letzten Meter gemeinsam zum vermeintlichen Gipfel. Wir müssen eine kleine Kletterpartie hinlegen und haben dann eine super Aussicht. Wir ruhen uns aus und stärken uns ein wenig bevor uns die Wärme dazu bewegt doch noch weiter hoch zu kommen auf den scheinbar unerreichbaren Pico do Papagaio. Wir müssen also erst wieder ein wenig absteigen, um dann von der anderen Seite wieder aufzusteigen und diesmal klappt es tatsächlich. Wir sind ganz oben. 360° Meerblick. Bis nach Rio können wir heute leider nicht schauen, da es etwas diesig ist, aber die Sicht ist trotzdem extrem weitreichend. Ich zähle 19 riesige Containerschiffe. Um mir etwas Adrenalin abzuholen, setze ich mich oben auf die Kante. Ein wager Blick nach unten und mir wird richtig schwindlig bei dem Anblick. Schnell wieder zurücklehnen und die Aussicht mit immer noch genügend Bauchkribbeln genießen. Die 800m freien Fall möchte ich nicht am eigenen Leib erfahren und deshalb geht es nach 5 Minuten wieder in etwas sicherere Gefielde, auch wenn ich noch etwas gelähmt bin vom Blick nach unten, was meine Beweglichkeit tatsächlich etwas einschränkt. Angst lässt den Körper auf seltsame Weise vergessen, wie man sich zu bewegen hat. Ein kurzer Blick auf die Uhr und ich habe nicht bemerkt, wie wir hier oben 2 Stunden verbracht haben. Verdammt, ich muss wieder runter. Ich nehme etwas die Beine in die Hand, auch wenn es etwas schwer fällt, da es wirklich steil ist. Die Hände klettern also fast die ganze Zeit mit. Entweder schwinge ich mich von Baum zu Baum oder die Steine geben einen guten Halt oder Sitz, um knieschonender und schneller nach unten zu gelangen. Als ich einmal kurz stehen bleibe, höre ich etwas rascheln. Ich muss nicht lange suchen und sehe ein Gürteltier. Mit seinem Köpfchen wühlt es im Laub nach Nahrung und bekommt mich absolut nicht mit. Ich bleibe ganz still und leise stehen und beobachte das Ganze sicher eine halbe Stunde lang bis es 2 m hinter mir den Weg kreuzt und wieder die Nase ins Laub steckt. Ich beschließe weiter zu gehen, aber ganz langsam und leise. Und höre direkt wieder ein Rascheln. Und natürlich entdecke ich auch direkt das nächste Gürteltier, das aber davon schleicht. Wieder einige Meter weiter das nächste Rascheln. Und diesmal hält es direkt auf mich zu. Einen halben Meter vor mir bleibt es stehen. Ich höre es jetzt ganz laut schnüffeln. Ich bewege mich keinen Centimeter. Es stellt sich auf die Hinterläufe und versucht herauszufinden, was dieser seltsame ungewohnte Geruch ist. Ich kann es extrem gut beobachten. Die Krallen an den klauenähnlichen Füßen, die borstenähnlichen Haare an dem Panzer oder der ledrigen Haut, ich kann es gar nicht wirklich beschreiben, die lange Nase und dann dieser viel zu kleine Kopf für den großen Körper. Es kommt näher, schnüffelt an meinem Schuh und beschließt, dass ich vermutlich nicht schmecken werde und geht unbeeindruckt weiter. Ich platze bald vor Freude, aber ich muss wirklich weiter. Ich will die Fähre nicht verpassen und ich habe keine Ahnung wie spät es ist, da mein Handyakku leer ist, weswegen ich auch kein Foto von den Gürteltieren habe. Also steige ich jetzt wieder etwas schneller und lauter ab und plötzlich kreischte oder quiekt es extrem laut auf meiner linken Seite. Ich bleibe kurz stehen und warte ab, aber nichts. Ich gehe weiter und genau das gleiche Geräusch ertönt nochmal, aber zu meiner Rechten. Ich sehe wie die Baumkronen wackeln und entdecke einen Lemur, wie er von Ast zu Ast springt. Ich fühle mich wie auf der Pirsch und mein Adrenalinspiegel ist mit den ganzen Tieren mindestens genauso hoch, wie auf dem Gipfel. Ich weiß nicht, was ich mehr mag, aber ist ja auch völlig egal. Hauptsache man genießt die Zeit, ganz egal wie und wo. In der Natur kann ich es aber definitiv immer am Besten. Was für ein Tag. Ich kann mein Glück kaum fassen.

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