
Eigentlich dachte ich, es wartet die mit wärmste Nacht auf mich. Als ich gesehen habe, dass das Auto einmal komplett eingeeist ist, habe ich verstanden, wieso ich friere. Als die Sonne dann alles abgetaut hatte, war dies mein Startschuss für den heutigen Tag. Dem Titicaca-See auf Wiedersehen sagend, fuhr ich zunächst erstmal nach Juliaca. Interessant zu sehen, war hier der Schulbetrieb. Zur Schuluniform gehört nicht nur ein Trainingsanzug, sondern auch ein Sonnenhut in entsprechender Schulfarbe. Im Allgemeinen ist es sehr rar einen Peruaner ohne Hut oder Mütze zu sehen. Ich bin dann ein paar Mal an den Gruppen von Schülern vorbeigefahren, die gerade Morgensport gemacht haben und in der Gemeinschaft, 2 Schüler vorneweg mit Flagge in der Hand, durch die Straßen joggten. Da es keinen Gehweg gibt, passiert das Ganze tatsächlich mitten auf der Straße. Als ich aus Juliaca raus war, eröffneten sich recht schnell die Berge, die mich sehr an die schottischen Highlands im Frühjahr erinnerten. Grasbewachsene Hügel so weit das Auge reicht, wobei das Gras nicht mehr bzw. noch nicht wieder grün ist. Es ist eher Ockerfarben. Die Bergstraße führt mich vorbei an mehreren großen Seen und die knuffigen Alpakas sind hier im Paradies. Mein erster Stop, gleichzeitig meine Frühstückspause, ist beim Hojo Solar, einem perfekt runden Krater indem sich Wasser gesammelt hat. Zugegeben, habe ich es mir etwas spektakulärer vorgestellt, aber das Spektakulärere an diesem Ort war, als ich mein Frühstück zubereitete und die Türen vom Auto offen stehen hatte und ich plötzlich ein Geräusch hörte. Kommt da ein Auto? Ich sehe nichts. Aber es wird immer lauter. Jetzt fängt es langsam aus völliger Windstille an leicht zu winden und mit einem Mal wird es so stark, dass alle Türen zufliegen und ich erst jetzt sehe, was es ist. Ein Wirbelsturm. Leider hat er auch eine Mülltüte mitgenommen. Wie ein Drache steigt sie immer höher und höher. Bei mir ist es jetzt wieder windstill, doch durch die Mülltüte kann ich genau erkennen, wo der Wirbelsturm jetzt ist. 10 Minuten später passiert nochmal exakt das Gleiche, nur, dass er diesmal 50 m neben dem Auto lang braust. Verrückte Welt. Ich fahre weiter zu einem Wasserfall “Cataratas Pillone”. Genau genommen sind es 2. Beim ersten kleineren befindet sich Eis, was mich etwas erschrocken hat, da ich hier in 4500 m Höhe mit T-Shirt unterwegs bin. Der 2. ist bedeutend beeindruckender. Zunächst muss man ihn sich erst einmal verdienen und 200 m seilversichertes Gelände absteigen. Ich komme richtig aus der Puste. Kann mal jemand den Sauerstoffgehalt der Luft erhöhen? Meine sonst so trittsicheren Schritte taumeln etwas umher. Unten angekommen, kann man bis zum geschätzt 100 m breiten und 20 m hohen Wasserfall gehen und sich etwas abkühlen. Zusammen mit der Sonne zaubert er einen Regenbogen, aber auch ein ohrenbetäubend lautes Rauschen. Ich setze mich etwas hin, zum einen, um das Naturschauspiel zu bewundern, zum anderen aber auch ganz ehrlich, um mich auszuruhen. Wenn ich schon vom Abstieg aus der Puste bin, wie soll dann der Aufstieg aussehen? Ich kann es sagen: Ich habe mich gefühlt, wie die unsportlichste Person auf Erden. Unfassbar. Mein Puls rast und die Muskeln sind so schwach. Ich bin froh, als ich am Auto ankomme. Ich bin nicht so fertig nach einer 12-Stunden-Wanderung. Nur 3 Minuten weiter gibt es einen Mirador/Aussichtspunkt inmitten von Felsformationen. Es geht wieder ein Stück bergauf. Meine Schritte sind langsam und träge, aber entgehen lassen möchte ich es mir auch nicht. Oben angekommen, merke ich plötzlich, dass ich kurz davor bin umzufallen und mir 1 Sekunde schwarz vor Augen wird. Ich kann mich nochmal zusammenreißen und bleibe auf den Beinen. Pass auf dich auf! Das Gute ist, ich bin in sicherem Terrain. Trotzdem torkle ich jetzt nur noch zurück zum Auto und rutsche auf völlig geradem Untergrund zu Seite weg und muss über mich selbst lachen. Ich fühle mich wie auf Drogen. Ich setze mich ins Auto und brauche erstmal 5 Minuten bevor ich losfahre. Alles andere wäre zu gefährlich. Es fällt selbst schwer, die Arme zum Lenkrad hoch zu heben und das Bein zwischen Kupplung und Bremse zu wechseln. Krass, dabei bin ich vielleicht allerhöchstens 3 km und 300 hm gelaufen. Auf einen weiteren Spaziergang verzichte ich deshalb heute mal. Ich fahre nun mit ganz vielen LKW die Passstraße entlang und dann passiert es. Ich erlebe meinen ersten LKW-Unfall mitten in den Anden. Ich kann gottseidank noch rechtzeitig in die Bremsen treten, aber dann geht erstmal nichts vor und zurück. Dem Fahrer ist gottseidank nichts passiert. Die Polizei kommt, der Abschlepper und der Verkehr wird nach und nach mit einer roten und grünen Fahne am Unfall vorbei geleitet. Eigentlich wollte ich heute bei Thermalquellen übernachten, aber als ich den Coca-kauenden einheimischen Opi frage, wo sie sind, lachte er nur und meinte, die haben im Moment 0-12°C. Oh nein danke, also fahre ich weiter. Die Blicke immer in den Bergen und ich erspähe 2 rauchende Vulkane. Wow. Ich kann es nicht fassen. Zwischen den LKWs quälen wir uns nun noch wieder nach unten und hier sieht es ganz anders aus, als heute morgen auf der anderen Seite. Saftig grün. Ich halte schnell an und schieße das heutige Foto des Tages. In der ersten Stadt setze ich den Blinker und fahre von der Hauptstraße ab, um meinen Schlafplatz in den umliegenden Hügeln zu suchen. Schon geht auch die Sonne unter, ich habe Blickkontakt zu einem weiteren aktiven Vulkan und der Sternenhimmel erscheint 17:45.
Heutige Wildtiersichtungen: tausende Alpakas und Vicuñas