
Die Sonne geht über dem Titicaca-See auf, die Wellen schlagen sanft gegen das raschelnde Schilf und die Vögel zwitschern fröhlich vor sich hin. Das Dorf wacht langsam auf und die ersten Dorfbewohner sind schon unterwegs, um die Fischernetze einzuholen oder die Schafe und Kühe heraus zu treiben. Mit genau diesem Bild bin ich heute sanft aufgewacht. Das Auto springt auch sofort an, da es wärmer ist und schon bin ich unterwegs. Ein Schild weißt mich auf eine archäologische Stätte hin “Willka Uta”, Blinker links und schon bin ich bei meinem ersten Stop. Es ist eine Inkastätte und neben mir sind zu so früher Stunde noch 2 spanisch sprechende Touristen vor Ort und 2 Englisch sprechende. Die Stätte ist eine Art Portal in den Fels gehauen. Als ich den Englisch sprechenden Leuten näher komme, sagt die Frau: “Ich kann das nicht mit den Touristen.” Ich bin erstmal etwas überrascht. Sie fragt mich, ob ich 5 Minuten warten könnte. Kein Problem, mit etwas Abstand sehe ich mir das Ganze an. Der Spanisch sprechende Führer erklärt derweil, dass hier oft Leute zum Meditieren herkommen, da das Portal extrem viel Energie hat, vor allem bei psychischen Erkrankungen soll es super helfen. Und genau das beobachte ich gerade. Im Portal sitzt ein Mann mit verbundenen Augen, er saß da wohl die ganze Nacht und redet mit der Frau gegenüber, die ihn in gewisser Weise führt. Sie redet jedoch nicht mit ihm, sondern mit einer weiblichen Person in seinem Körper. Ich tippe mal darauf, dass dieser Mann an Schizophrenie leidet und versucht hier geheilt zu werden. Ich steige noch etwas weiter auf und finde ein Felsfenster, setze mich hinein, lasse die Beine am Abgrund baumeln und genieße die Aussicht auf die anderen Felsen und entdecke meinen Schatten auf einem gegenüberliegenden Fels, da die Sonne noch recht tief steht. Das ergibt ein super Bild. Ich fahre weiter und schon sehe ich die nächste archäologische Stätte “Inca Uyo”. Wieder Blinker links und für 6 Soles darf ich mir das Ganze anschauen. Ich habe super Glück, dass gerade eine Reisegruppe aus Lima hier ist und der Reiseführer eine einstündige Erklärung gibt, zu einer Stätte, in der ich sonst 3 Minuten gewesen wäre, ein paar Fotos gemacht hätte und wieder weg gewesen wäre. So ist es natürlich besser. Auch diese Stätte ist von den Inkas und auf den ersten Blick fällt auf, worum es geht. Das männliche Geschlecht. Auf 300m² stehen überall Steinpenisse, in unterschiedlichen Größen und Formen, dass sich ja keiner diskriminiert fühlt. In der Mitte ein ganz großer Penis, beschützt von Pachamama. Wir erinnern uns, Pachamama ist Mutter Erde. Die ganzen Erklärungen spare ich mir jetzt mal. Es ging sehr viel um die Eigenschaften einer Frau und die des Mannes und weshalb die Zwei- bzw. Dreifaltigkeit in der Kultur so wichtig war/ist. Am Ende machen wir noch unmögliche Fotos mit dem Riesenpenis und unsere Wege trennen sich wieder. Mein nächstes Ziel ist Puno. Direkt am Titicaca-See gelegen, hat es einen Minihafen für Boote, die zu den vorgelagerten treibenden Inseln fahren. Mir wird ein super Preis vorgeschlagen, den ich noch kurz verhandelt habe und schon fährt mich Olympia mit dem Motorboot zu ihrer Insel Uros. Ich darf mich mit dem “Insel-Chef” Unterhalten und bin super neugierig und frage ihn Löcher in den Bauch. Es gibt 98 Inseln, die aus Schilf erbaut sind und alle 2 Wochen muss man eine neue grüne Schilf-Schicht nachlegen. Über Wasser sieht man circa einen halben Meter und unter Wasser sind es in etwa 3-5 Meter. Jedes Mal wenn ein Boot vorbeifährt, kann ich spüren, wie die Insel wackelt und sie tatsächlich nur schwimmt. Auf dieser Insel leben 5 Familien und im gesamten Verband gibt es 2000 Menschen, 2 Grundschulen, 1 Fußballplatz, 1 Volleyballfeld, 1 Restaurant, 1 Kirche, aber kein Basketballfeld scherzt er herum. Der Ball würde einfach nicht vom Boden abprallen. Macht ja auch Sinn. Ich bekomme mit, dass die Inselbewohner untereinander eine andere Sprache sprechen und frage nach, welche es ist. Sie nennt sich Ajmara und ich lerne meinen ersten und vermutlich auch einzigen Satz in Ajmara: “Kami saraki?” – “Hallo, wie geht’s?”. Die Leute sind begeistert von meinem Interesse und geben mir ihre Kleidung, damit ich darin ein Erinnerungsfoto machen kann. Es wird kein Trinkgeld für die Erklärungen verlangt, ich soll lediglich etwas von ihren handgefertigten Souveniren kaufen. Witzige Strategie. Aber das mache ich gern, solange es kein Schnickschnack ist. Plötzlich legt ein größeres Touri-Schiff an. Die Insel wackelt ordentlich. Olympia fragt mich, ob ich zum Restaurant möchte und wieso nicht. Nur weg hier von den Massen. Hier kann ich guten Gewissens Fisch essen und weiß hundert Prozent, dass er von hier stammt. Super lecker. Olympia zeigt mir nun noch den Rest der Insel-Gemeinschaft mit allem, was dazu gehört und ich bin sehr froh, dass wir ein langsames Motorbötchen haben und allein sind, so kann ich die Zeit auf dem Titicaca-See besser genießen. Keiner der mich stört. Auf dem Rückweg begegnen wir in den schmalen Gassen aus Schilf noch den Booten, die frisches Schilf bringen und sehen Vögel, bei denen Olympia meint, dass sie diese Vögel essen und sie wie Hähnchen schmecken würden. Mit festem Boden unter den Füßen bedanke ich mich für die klasse Privattour und steige wieder ins Auto. Ich fahre zur Capachica-Halbinsel in der Hoffnung, hier einen Schlafplatz zu finden. Es stellt sich allerdings als sehr schwer heraus, da links und rechts der Straße keine Feldwege abzweigen und ein Grundstück an das nächste grenzt und selbst alle Feldgrenzen fein säuberlich mit Feldsteinen abgegrenzt sind. Bereuen tue ich es allerdings nicht, hierher gefahren zu sein. Biesti leistet super Arbeit in den letzten Kilometern und ich habe eine spektakuläre Aussicht auf den gesamten See. Außerdem hat diese Kommune hier einen besonders spannenden Kopfschmuck, wie ich schon auf dem Hinweg gesehen habe. Auf dem Rückweg komme ich dann an Lucia vorbei und sie ist so lieb und lässt sich von mir fotografieren. Ich habe heute so viele spannende Bilder gemacht, aber dieses ist bei weitem das einzigartigste, dachte ich mir.