
Ich habe ja diese Nacht in einem richtigen Bett in La Paz geschlafen, aber irgendwie war das bei Weitem nicht so erholsam, wie im Auto in der Natur. Und deshalb geht es nach dem Frühstück vom Hostel auch direkt wieder raus aus der Stadt. Naja, sobald ich das Auto aus der viel zu engen Tiefgarage operiert habe. Ich muss bestimmt 20 umsetzen, bis ich Schwung nehmen und die steile Ausfahrt raus ins Tageslicht nehmen kann. Die 1,5 Stunden, die ich gestern nach La Paz rein gefahren bin, darf ich heute auch wieder heraus fahren. Zwar in westlicher Richtung, da es Richtung Peru geht, aber das Verkehrschaos und Hupkonzert bleibt das Gleiche. Heute habe ich mir extra große Straßen herausgesucht, um auch definitiv durchzukommen und siehe da, zum heutigen Sonntag war genau von dieser Straße ein Stück gesperrt. Ein Essensstand reihte sich hier nun an den nächsten. Mittlerweile habe ich aber ein System entwickelt, das da heißt: Folge dem Auto vor dir!. Das klappt erstaunlich gut, denn Umleitungen gibt es so gut wie nie. Als ich dann aus dem Großstadttrubel heraus war, war es schön zu beobachten, wie die Bolivianer ihren Sonntag verbringen. Viele arbeiteten trotzdem, aber die meisten saßen an großen Tischen oder in Stuhlkreisen zusammen und haben direkt an der Straße ihr Asado/BBQ abgehalten. Schon bald war ich bei meinem ersten Stop für heute. Tiwanaku ist ein archäologisches Denkmal und liegt auf dem Weg und deshalb dachte ich mir, kann ich mal vorbeischauen. Als ich die Preise gesehen habe, bin ich direkt wieder umgedreht. Ausländische Touristen sollen 10 mal soviel zahlen, wie die Bolivianer. Das ist es mir nicht wert. Und außerdem steht mir noch ein Grenzübertritt bevor. Also geht es weiter. Als ich Wasser neben mir entdecke, fällt es mir wie Schuppen von den Augen. Das ist schon der Titicaca-See. Es tut so gut, endlich mal wieder Wasser zu sehen. Wo der Titicaca-See ist, kann auch die Grenze nicht mehr weit sein. Die LKWs stehen schon mindestens 5 km vorher in der Schlange. Irgendwie bin ich das einzige Auto hier, also quetsche ich mich mal durch. Ah, noch ein Auto, aber wir kommen nicht mehr weiter. Die LKWs haben sich gegenseitig zugeparkt und es geht nichts mehr vor- und rückwärts. Ich setze etwas zurück, schaue mir das Standbild 3 Minuten lang an und der Autofahrer vor mir beschließt zu wenden. Ich beobachte ihn, wo er langfährt. Halt, stop, warte auf mich. Und wieder heißt es: Folge dem Auto vor dir!. Und tatsächlich komme ich um all die Massen an LKWs vorbei und komme auf einem Feldweg direkt an die Grenze. Ich bin aber etwas verloren. Ich quatsche den erstbesten Menschen in Uniform an und frage, wie es hier so abläuft. Es wird jemand anderes konsultiert, von meinem Auto wird ein Foto gemacht und ich soll 3 km nach Peru reinfahren, wo man mich erwartet und ich den ganzen Grenzkram erledigen kann. Langsam fahre ich weiter, um nicht zu übersehen, wo ich hin muss. Auch auf dieser Seite der Grenze stehen extrem viele LKWs. Und dann winkt mir jemand zu. Gottseidank, denn bisher bin ich illegal im Lande. Aber jetzt sehe ich, wieso ich hierher sollte. Weit und breit bin ich die Einzige. Migration Bolivien, Zack Ausreisestempel, Migration Peru, Zack Einreisestempel, Zoll Peru – Was, du hast eine Drohne? Eigentlich muss die angemeldet werden, eigentlich. Ich bekomme meine Einfuhrerlaubnis für 90 Tage und der Zoll von Bolivien? Ach der ist gerade beim Mittagessen. Ich bekomme WLAN und vertreibe mir so die Zeit. Nach 10 Minuten, kommt die Dame auf mich zu und meint, wir sind fertig. Das war der einfachste Grenzübertritt, den ich bisher in Südamerika hatte. Morgens war hier wohl die Hölle los. Dann jetzt legal weiter in Peru immer am Titicaca-See entlang. Die Gegend ist super schön. Weideland, überall werden Kühe und Schafe gehütet und ein paar Mal werden die Tiere direkt vor mir, die 80bkm/h fährt, über die Straße gescheucht. Schnell in die Eisen. Die Frauen entschuldigen sich jeweils, dass die Tiere so langsam sind und weiter geht’s. Das Gras wird in Büscheln zum Trocknen aufgestellt und auch die Straßenarbeiter sind zum Sonntag fleißig. Ich komme an einer Kirche vorbei. Die Leute stehen zahlreich davor, singen und klatschen und dann biege ich von der “Bundesstraße” ab, um in ein Städtchen namens Juli zu fahren. Es wird auch das “kleine Rom” genannt. Das muss ich mir anschauen. Immer mehr und mehr Menschen sind auf den Straßen und dann winkt mich ein Mann zur Seite und meint, ich darf hier nicht mehr weiterfahren. Ich sehe auch warum, 100 m weiter findet ein Umzug statt. Ich bin durch Zufall in den 896. Geburtstag der Region Juli gekommen. Das Auto wird abgestellt und ich dränge mich zwischen die Massen. Nicht weit und ich schieße das heutige Foto des Tages. Ich bin definitiv der einzige Tourist hier. Die Menschen sind aber super offenherzig. Erst jetzt bemerke ich, dass jeder Bezirk der Region seine eigenen Farben der traditionellen Tracht hat. Eine Blaskapelle spielt während die verschiedenen Regionen aufgerufen werden und nacheinander salutieren. Voller Stolz vertreten sie ihren Bezirk. Die einen haben rosa Röcke, die anderen rot, blau, grün, schwarz, besondere Muster, alles stimmt überein. Es kommt mir ein wenig wie die Quilltmuster von Schottland vor. Sehr interessant. Ich schaue mir den Umzug ein Wenig an und werde ein paar Mal aufgefordert mit zu marschieren. Diesmal bin ich diejenige, die schüchtern abwinkt. Der Grund, weshalb ich auch hier bin, ist die Suche nach einem Geldautomaten, auf die ich mich nun endlich mache, da ich immer noch kein peruanisches Geld bei mir trage. Ich komme an der Kirche vorbei, deren Vorplatz aus Rasen als Lagerplatz genutzt wird. Die Leute stehen streng getrennt, in Männer- und Frauengruppen zusammen, unterhalten sich und trinken Bier. Von einem Mann werde ich angesprochen, ich solle runter kommen und auch ein Bier mittrinken. Aber ich brauche doch Geld, also winke ich ab. Ich gehe nur ein paar Schritte weiter und ich habe Blickkontakt mit Margot, die mir zuruft: “Hier setz dich zu uns! Trink was, du brauchst Energie!” Diesmal kann ich nicht mehr ablehnen und so kommt es, dass ich meine ersten Schlucken Bier trinke. Wir sitzen gemütlich zusammen und die Leute sind alle definitiv ordentlich angeheitert. Es wird viel gelacht und ich werde zur Attraktion. Als sie herausfinden, dass ich noch kein Mittag gegessen habe und auch kein Geld habe, um mir welches zu kaufen, organisieren sie mir ein Essen, dass jeder Teilnehmer bekommt. Ich bekomme ein super leckeres Hähnchen und Pellkartoffeln, die ich per Hand schäle. Ein paar Becher Cola später, Margot hat ihr Bier ausgetrunken, macht sie sich mit mir und ihren Kindern Diego und Lady auf die Suche nach einem Geldautomaten. Alle 5 Meter bleiben wir stehen und quatschen mit den Leuten, die sie kennt. Sie scheint wirklich ein bekanntes Gesicht hier zu sein und die Gusche sitzt ihr auch am rechten Fleck. Es macht Spaß und ich glaube das Gefühl beruht auf Gegenseitigkeit. Wir drängen uns durch die Massen und irgendwann werden wir fündig. Die Sonne ist schon am untergehen, also gehe ich schnell zum Auto, fahre zum Strand herunter und suche mir ein gemütliches Plätzchen zwischen Ibisen, Blässhühnern und Möwen, während die feiernde Bevölkerung nach Hause schwankt oder in Sammeltaxis in ihre Bezirke zurückgefahren wird.