Höhenflüge

Wenn man Surfstunden bei einem Spendenmarathon absagt, da man seine erste Einladung zu einem südafrikanischen Braai (BBQ) bekommen hat und das dann kurz vorher abgesagt wird, hat man schon das Gefühl, etwas zu verpassen. Ohne Plan für den heutigen Tag war ich dann etwas Ratlos und vertrieb mir die Zeit erstmal mit Papierkram, der erledigt werden müsste, auch wenn mich das Wetter dauerhaft nach draußen ziehen wollte. Dann bekam ich eine Nachricht von meinem Gastgeber, dass er keine Lust mehr hätte zu arbeiten und ob ich nicht Lust hätte spontan schnellstmöglich vorbei zu kommen. Ich suchte also schnell meine sieben Sachen zusammen und saß schon im Uber, da braucht man mich nicht zweimal fragen. Vielleicht sollte ich kurz erwähnen, dass er Paragliding-Instructor ist. Oben auf dem Berg angekommen, wartete er schon angezogen mit Gleitschirm auf mich. Ich schlüpfte schnell in meine Ausrüstung und schon ging es los. Ich wollte mein ganzes Leben Gleitschirm fliegen, aber jetzt geht alles so schnell, mir wurde der Teil der Vorfreude geraubt. Wir stehen vor der Klippe und ich soll daraufzurennen, damit wir abheben. Ein Schritt und der Gleitschirm hebt vom Boden. 2 Schritte mehr und ich hebe schon ab. Das hab ich mir anders vorgestellt aber perfekt, denn vorher ging mir noch durch den Kopf, was, wenn wir noch nicht abgehoben sind, wenn die Klippe abbricht. Ich hatte 2 Sekunden lang etwas Angst. Und schon waren wir in der Luft. Alles ging super schnell, doch jetzt scheint die Zeit still zu stehen. Das Wetter ist perfekt. Alles ist ruhig und wir gleiten durch die Luft. Wir finden 1 Aufwind und steigen darin höher und höher. Das ist das erste Mal am heutigen Tage, dass ein Aufwind da ist. Wir haben Glück. Mit dem Tafelberg im Rücken fliegen wir über dem Lions Head immer weiter nach oben. Und dann bericht der Aufwind ab, doch wir entdecken den nächsten genau über dem Signal Hill, von wo aus wir gestartet war, hoffen also, dass wenn wir dort sind, er uns wieder nach oben trägt. Und wir haben wieder Glück. Mit acht anderen Gleitschirmfliegern steigen wir immer weiter nach oben. Ich frage mich, wie man zu reagieren hat, wenn man sich zu nahe kommt, dann dass dich die Schirme verfransen, möchte ich nun wirklich nicht, aber dann ist die Situation auch wieder vorüber und ich kann die spektakuläre Aussicht genießen. Die Stadt und das Meer vor mir und die Berge hinter mir. Handre schießt das Foto des Tages und ich bin überglücklich, dass er mich auf dieses Abenteuer spontan eingeladen hat. Alles ist so friedlich und ruhig hier oben. Als auch der 2. Aufwind abbricht, geht es Richtung Meer. Wir gleiten über Kapstadt hinweg. Wie unwirklich das alles ist, aber es ist wahr. Über dem Meer sind wir noch hoch genug, dass wir ein paar Seitwärtssaltos drehen können. Endlich der erwartete Adrenalin-Kick. Alles kribbelt, auch der Bauch. Und dann neigt sich das Vergnügen dem Ende zu. Wir verlieren an Höhe und müssen Richtung Landeplatz. Jetzt nur nichts Unüberlegtes machen. Viel zu oft hatte ich in der Schweiz gebrochene Sprunggelenke von einer Gleitschirm-Landung zu versorgen. Das muss heute nicht sein. Ich denke alles im Kopf mehrfach durch. Aber als der Boden meine Füße berührt sind wir so langsam,dass auch diese Angst völlig übertrieben war. Das war mal eine sanfte Landung, danke Handré. Wir waren 25 Minuten in der Luft. Andere, so erzählt mir Handre schafften es heute nur auf 10 Minuten. Was habe ich für ein Glück. Am Boden angekommen, merke ich das Adrenalin. Mein Körper zittert. Mir ist definitiv nicht kalt. Ich falle Handre in die Arme. Ich bin überglücklich. Wir steigen zusammen ins Taxi, er fährt nach Hause und ich steige in Clifton aus und spaziere etwas durch die Gegend bevor ich mich an den riesigen weißen Strand setze. Die Zeit vergeht, es wird kälter und die Sonne nähert sich dem Horizont. In Afrika soll es die schönsten Sonnenuntergänge geben und genau zu so einem entwickelt sich dieser gerade. Die Farben werden mit jeder Sekunde kräftiger. Knallorange, knallpink, lila, dahinter noch der strahlend blaue Himmel. Ich stehe im Konflikt, will jede Sekunde genießen, will aber auch nicht in der Dunkelheit allein unterwegs sein und kalt ist es außerdem. Genau rechtzeitig steige ich in den Uber zurück zu meinem alten Hostel, wo ich Freunde treffe, um den Abend gemeinsam zu verbringen. Wir gehen von der Hostel-Bar in eine einheimische Bar “The Shack”. Hier fühle ich mich viel wohler. Hier kommt bessere Musik. Die Leute sind cooler, wir kickern bis die Hände weh tun und am Ende hat man wieder ganz viele Einheimische kennengelernt.

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