Aus schwarz-weiß wird bunt

2 Optionen standen heute zur Verfügung. Option 1: Wanderung auf den Tafelberg, Option 2: Teilnahme an einer Free-walking-Tour durch das Stadtzentrum von Kapstadt. Noch gestern Abend war ich voller Tatendrang auf den Berg zu gehen, Option 2 war eigentlich nur meine Schlechtwetteralternative, aber als ich heute Morgen aufwachte, fühlte ich mich nicht nach einer Wanderung, was ja eher selten vorkommt bei mir. Also ging es nach dem Frühstück in die Stadt zu historischen Stadtführung. Man sollte ja nicht nur das Land und die Leute genießen, sondern auch Ahnung haben, warum alles so ist, wie es ist. Unser Spaziergang fing bei dem prunkvollen Rathaus an, an dessen Eingang eine Bronzestatue von Nelson Mandela, dem ersten schwarzen südafrikanischen Presidenten, steht. Wir lernen ein wenig zur Geschichte. Alles das, was ich heute tagsüber lernen durfte, konnte ich am Ende nochmal vertiefen, klarstellen oder auffrischen, als mir Handré, mein Gastgeber, einen Kurzausflug mit Karte in die Geschichte Südafrikas und Afrikas gab. Die ersten Menschen, die in Kapstadt ankamen, waren tatsächlich Weiße, Portugiesen, dann Niederländer, Franzosen, Engländer und später auch Deutsche. Schwarze Stämme lebten zu der Zeit nur im Osten von Südafrika. Mit dem Sklavenhandel von Malaysia, Madagaskar und Ostafrika kamen die ersten Schwarzen nach Kapstadt und wurden zunächst mit neuen Namen versehen. Entweder mit dem Monatsnamen, an dem sie ankamen, an dem sie geboren wurden oder wo sie herkamen. Sie wurde alle in die Slave-Lodge gesteckt, die heute Teil des Parlaments ist. 9000 Menschen lebten hier in einem Haus, bis sie kategorisiert nach Alter, Vorbildung und Können (Handwerkstätigkeiten) am Slave-Tree angebunden, den Weißen zum Verkauf angeboten wurden.  Der Baum wurde gefällt, heute erinnert nur noch ein Denkmal daran. Unvorstellbar, wie groß der Jubel gewesen sein muss, als Nelson Mandela es als President geschafft hatte. Frisch aus dem Gefängnis, wegen irgendwelchen irrsinnigen Rechten verhaftet, hatte er es durch die Kraft der Massen aus aller Welt geschafft. Der Gleichberechtigung war die erste Tür geöffnet. Bis dahin gab es Bänke, auf denen die Aufschrift “white people only” – “nur Weiße” oder “non-white people only” – “nur Nicht-Weiße” darauf hinwieß, wer darauf Platz nehmen durfte und wer nicht. Noch heute stehen einige dieser Bänke in der Stadt und erinnern daran. Einige Touristen setzen sich stolz auf die “White people only”-Bank und posieren fröhliche Urlaubsfotos, während ich dafür im Boden versinken könnte. Niemals würde ich mich freiwillig auf eine solche Bank setzen und dann auch noch ein glückliches Gesicht aufsetzen. Im Gegenteil, ich habe den gesamten Tag Gänsehaut und kann es einfach nicht fassen. Weiße waren Menschen, Schwarze waren nicht mehr Wert als ihr Verkaufswert. Wie viel das war, wollte man mir heute nicht verraten. Ist aber vielleicht auch besser so. Was bald ein Problem wurde war die Klassifizierung, ob Weiß oder Nicht-weiß, da es bald Farbige gab, also eine Vermischung der Rassen. Das Gericht entschied nach Bleistift-Test. Es wurde ein Bleistift ins Haar gesteckt. Fiel dieser nach einer Kopfbewegung heraus, galt man als Weiß, blieb er stecken, galt man als Nicht-Weiß. Ganze Familien wurden so auseinander gerissen,  da die Weißen nicht mit den Schwarzen zusammen sein durften. Als weiß klassifizierte Kinder wurden ihren Eltern entrissen und neuen “weißen” Eltern zugeteilt. Völlig absurd. Wir liefen heute an all den Orten vorbei, an denen all dies geschah. Wo wir allerdings heute auch vorbeikamen, war die Berliner Mauer. Tatsächlich, das ist kein Scherz. Ein Stück der Berliner Mauer steht in Kapstadt. Symbolisch, da die Geschichte im Grunde die selbe war, geteilt und wiedervereint. Nach einer Mittagspause ging es zur zweiten Free-walking-Tour nach Bo-Kaap, einem besonderen Stadtviertel Kapstadts. Symbolisch an die Geschichte anschließend, mit der Gleichberechtigung der Schwarzen durften sie nun auch Häuser kaufen und nachdem das Gesetz aufgehoben wurde, dass alle Häuser weiß sein müssten, wurde ein jedes Haus in einer anderen Farbe angestrichen. Als Zeichen der Freiheit, als Zeichen der Gleichberechtigung. Aus schwarz-weiß wurde bunt. Denn in bunt ist doch alles viel schöner. Spreche ich hier noch von Häusern? Es bleibt einem jeden selbst überlassen. Bo-Kaap war also die Gegend, in der die ersten Schwarzen sich Häuser kauften und aus diesem Grund ist diese Nachbarschaft noch heute sehr schön anzusehen. Wirklich ein jedes Haus trägt eine andere Farbe. Wir schlendern durch die Gassen, schießen Fotos und ich lande meinen heutigen Schnappschuss des Tages. Fotos des Rathauses, des Parlaments, der Denkmäler oder der bunten Straßen in Bo-Kaap kann sich jeder im Internet anschauen, aber ein gutes einzigartiges Straßenfoto zu landen, schafft man nicht immer. Ich bin stolz darauf, die wirkliche, ungesehene Welt einzufangen und Tag für Tag teilen zu dürfen.

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