Im Land der Pinien

Wir sind in Curitiba. Hier gibt es nicht all zu viel zu tun aber die Parks der Stadt, von denen es über 40 gibt, sind alle kostenlos und da wir gestern schon in einer Art Tierpark waren, ging es heute in den botanischen Garten/Park. Wir laufen eine Stunde dorthin, um auf dem Weg die Stadt besser kennenzulernen. Pünktlich zur Mittagszeit taucht ein günstiges brasilianisches Buffetrestaurant auf. Zusammen mit allen Leuten, die gerade vom Arbeitsalltag ihre Mittagspause hier machen, gibt es vor allem Bohnen und Reis (Fejoada). Einen Milchreis als Dessert und eine Gratis-Limo zum Essen dazu und wir sind gut gestärkt für den weitläufigen Park. Das Highlight des Park zeigte sich zugleich zu Anfang und wurde direkt auf dem Foto des Tages festgehalten. Das mehrstöckige romantische Gewächshaus, in das wir direkt gingen. Das erste Mal bestaunten ich nicht nur die Pflanzen sondern auch den Baustil eine Gewächshauses. Mit der Wendeltreppe kamen wir auf Höhe einiger Palmen aber da manche bis unters Dach reichten, konnte man ihnen nicht auf Augenhöhe begegnen. Wir genossen die Artenvielfalt und bis heute habe ich nicht gewusst, dass es pinke Bromelien gibt. Man lernt einfach nie aus beim Reisen. Direkt hinter dem Gewächshaus stand ein weiteres Überdachtes Areal mit Pflanzen aus Feuchtgebieten Brasiliens. Eine Bilderausstellung einige dieser Pflanzen rundete das ganze ab. Dann ging es weiter durch einen Pinienwald, an 2 Seen vorbei und wir entdeckten eine Schnappschildkröte und einen weiblichen Amazon-Kingfisher (also einen Eisvogel). Durch den Palmenwald ging es zurück zum Eingang. Von hier suchten wir uns recht zufällig durch die Straßen einen Weg zurück zu unserer Unterkunft. Nach einer recht wohlhabenden Nachbarschaft, kamen wir mal wieder an etlichen Obdachlosen vorbei. In Rio und Sao Paulo soll es zwar bedeutend mehr geben, aber irgendwie ist mir das das letzte Mal nicht so aufgefallen. Ich glaube ich habe in meinem ganzen Leben nicht so viele Obdachlose gesehen, wie in den letzten 2 Tagen. Völlig absurd, kommen wir durch Zufall an einer uns völlig seltsam erscheinenden Kirche vorbei, der Igreja Universal do Reino de Deus. Nachdem wir das riesige Norderney Bauwerk von außen verdaut haben, trauen wir uns zaghaft nach drinnen. Wir haben mal wieder Glück, da gerade ein Gottesdienst stattfindet. Wir sind in einer riesigen Halle, der Pastor redet energísch über das Mikrofon zu der Gemeinde, die ihrer Hände Gen Himmel strecken. Das ganze wird von Lichttechnik und gediegener Musik über Lautsprecher untermalt. Es kommt ein Mann im Anzug zu uns und wir müssen uns die Hände desinfizieren. Von seiner Sorte laufen hier noch 4 oder 5 andere herum. In der “Kirchhalle” haben locker 2000 Leute Platz. Es sind gut gepolsterte Klappstühle in Reihen wie im Kino vorhanden, hinter jedem Stuhl steckt ein Briefumschlag, in den man seine Spende/Kollektive stecken kann. Wir schauen uns das ganze Prozedere ein paar Minuten an. Es schreckt uns aber eher ab und macht uns wieder mal nachdenklich. Wie kann eine Kirche so reich sein und neben dran leben hundert Menschen auf der Straße? Wo ist da die Nächstenliebe? Wo ist da die Logik? Wir verlassen also die Kirche wieder und schlendern weiter Richtung Unterkunft. Nach 5 Stunden müssen wir uns erstmal ein Stündchen ausruhen, bevor es wieder aus dem Haus geht. Wir wollen uns mit Moshik treffen. Als wir nach einer Unterkunft in Curitiba gesucht hatten, haben wir Ugur, bei dem wir gerade schlafen und Moshik, der uns leider nicht aufnehmen konnte, kontaktiert. Da Moshik, der ursprünglich aus Israel kommt, sehr daran interessiert war, uns kennenzulernen, trafen wir uns jetzt also mit ihm und bevor wir das Haus verlassen hatten und mit Ugur besprachen, was wir vorhatten, stellte sich heraus, dass die beiden gute Freunde waren. Die Welt ist selbst in einer 1,8 Millionen Einwohnerstadt so klein. Wie klein sie ist, merkt man noch mehr daran, dass sie in ihrem Freundeskreis Basti haben, der aus Jena stammt. Immer wieder erstaunlich, wie klein die Welt ist. Wir trafen uns mit Moshik im Cafe 217 in der 20. Etage eines Hochhauses und könnten während wir uns ohne Punkt und Komma austauschten, eine unglaubliche Aussicht genießen. Nachdem wir 2 Stunden verquatscht haben, wurden wir herausgefegt und bekamen von Moshik eine gratis Tour durch das historische Zentrum der Stadt. Entlang der ersten Fußgängerzone Südamerikas, der Rua XV. de Novembro. Wir kamen zu einem Ostermarkt, der in vieler Hinsicht einem deutschen Weihnachtsmarkt glich. Stadt Schwippbögen und Herrenreuther-Sternen wurde Osterdeko und Geschenke in allen möglichen Sorten verkauft. Was sich glich, waren Fress- und Getränkebuden. Bevor es ans Essen ging, brauchte ich zum aufwärmen wirklich erstmal einen Quentāo, der einem Glühwein sehr ähnlich ist, nur noch mit Ingwer und Cachaça zubereitet wird. Weihnachtsgefühle zu Ostern, das ist doch auch mal was. Dann ging es ans Essen und wir gönnten uns etwas typisches aus dem Norden Brasiliens, ein frittierter Ball aus Bohnenpüree gefüllt mit Shrimps, Chilli und Bohnencurry. Für den Nachtisch verließen wir den Markt und gingen in eine Confitería. Die Auswahl viel nicht schwer, da wir uns strikt an Moshiks Empfehlung hielten: Brigadeiro und Bombom do morango. Was ein Brigadeiro ist, sollten alle aufmerksamen Leser vielleicht noch wissen. Falls ihr es vergessen habt, unten nochmal der Link zum Nachmachen. Es gilt, unbedingt ausprobieren! Das Bombom de morango ist eine Erdbeere umhüllt von Kondensmilch, die durch erhitzen cremig fest wird, und dann nochmal umhüllt von Zartbitterschokolade, extrem süß, aber auch extrem lecker. Da wir uns mal wieder verquatscht hatten, wurden wir wieder herausgekehrt und wir machten weiter mit unserer kleinen Stadtführung. Vorbei an der ersten Universität Brasiliens, kamen wir zum ehemaligen Rathaus der Stadt auf dem Platz Paço da Liberdade bis hin zur Kathedrale. Hier lernten wir den besten und abschließenden Fakt des heutigen Tages: Als die Eroberer nach Südamerika kamen und die Ureinwohner fragten, wo sie hier Gold finden können, antworteten diese nur mit “Curitiba”, was auf Guaraní soviel heißt, wie “Es gibt viele Nüsse (Pinien)”. Und plötzlich ergibt alles wieder Sinn.

Hier gibt’s das Brigadeiro-Rezept: https://lets-world.de/wordpress/2024/07/13/brigadeiros/

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