Bei Regenwetter draußen?

Nächte im Bus zu verbringen, ist schon eine Sache für sich. Wenn man dann aber auch noch die einzige laut schnarchende Person neben sich sitzen hat, ich spreche nicht von Anna, denn die war mucksmäuschenstill hinter mir, ist man froh, dass das Ohr wieder gesund ist und man wieder Ohrstöpsel tragen kann bzw. sie überhaupt ins Ohr bekommt. Nach 10 Stunden Fahrt im Dunkeln kamen wir pünktlich mit dem Sonnenaufgang in Curitiba an. Irgendwie kam mir die gesamte Stadt heute morgen wie eine reine Fassade vor. Alles war blitzeblank und akkurat bis ich von einer Urin-Wolke erschlagen würde und erst dann realisierte, dass vor uns hunderte Obdachloser standen und gerade mit Essen und Wasser verköstigt wurden. Wir entschieden uns also schleunigst den Weg zu ändern, denn das hielten unsere Nasen nicht aus. Nach nur 20 Minuten vom Busbahnhof entfernt, kamen wir gemeinsam mit dem Pförtner an unserem Ziel an. Wir warteten noch auf Ugur unseren türkischen Gastgeber, der seit langem hier lebt und konnten dann richtig ankommen. Auch in seiner Wohnung war schon Arthur aus Frankreich, der gerade auch bei ihm couchsurfte. Nach einem gemeinsamen Frühstück ruhten sich alle aus, da keiner von uns gut geschlafen hatte und auch das Regenwetter lud nicht wirklich dazu ein, die Stadt unsicher zu machen. Anna verschlief den halben Tag aber ich bekam schon wieder Hunger also machte ich uns Mittag und weckte sie zum Essen wie eine Mutti. Danach wollte ich dann doch mal nach draußen. Wir gingen zu einem nahegelegenen kostenlosen Park, der neben verschiedenen exotischen Vögeln auch Affen und Kois beheimatete. Es fing wieder an richtig stark zu schütten aber im Gegensatz zu den Vögeln waren wir nicht wasserscheu. Da wir eh nicht weit von unserer Unterkunft und einer heißen Dusche entfernt waren, ließen wir uns durchnässen, während wir vom großen Greifvögel, über die kleine Eule bis hin zu unzähligen Papageienarten und Aras, goldfarbenen Fasanen, knallpinken Ibisen und eben auch den Seriema zu sahen, wie sie ihr Schicksal ertragen mussten. Im Käfig eingesperrt, dem Regen ausgesetzt. Nicht die Freiheit genießen zu können, für die sie eigentlich geschaffen wurden, durch die unendliche Weite zu fliegen. Ein Papagei schien auszubrechen wollen, während der andere sein Schicksal akzeptierte und uns schelmisch hinterher pfiff. Ein anderer schien schon komplett durchzudrehen, da er wie ein Huhn gackerte. Als wir dann nass genug waren, ging es wieder zurück und wir holten uns unsere heiße Dusche ab. Nachdem Ugur nach Hause gekommen war, gingen wir uns mit seinen Freunden in einer Bar treffen. Nach viel portugiesisch kamen dann auch irgendswann die Englischkenntnisse herausgepurzelt und wir unterhielten uns immer besser. Alte wurden wir heute allerdings alle nicht, da wir noch immer müde waren. Da es sich endlich ausgerechnet hatte, konnten wir den Weg zurück gemütlich durch die Fußgängerzone spazieren und unterhielten uns Recht tiefgründig über Obdachlosigkeit. Wie kommt es dazu? Wie kann es sein, dass man da gar nicht mehr heraus will? Wie kommt man aus dem Teufelskreis wieder heraus oder wieso macht ein so reiches Land wie Brasilien nichts gegen Obdachlosigkeit? Denn wir mussten ansehen, wie wieder hunderte Obdachloser sich schlafen legten.

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