Wir sind alle gleich

Da der Plan für heute gestern Abend schon feststand, konnten wir heute einen Ruhigen morgens machen. Als wir unseren Kram fertig hatten, holte uns Cristi ab, unsere Hippie-Polizistin, bei der wir diese Nacht wohnen durften. Wir lassen unser Gepäck noch bei ihr und gehen zu Juliana, die wir gestern schon kennenlernen durften. Auch sie ist Polizistin, ihr Mann Aldo ist Anwalt. Der Grill brennt schon. Wir sitzen gar nicht lange am Tisch und schon werden Chorizos, Morchillas (Blutwürste) und Rippchen serviert. Dazu gibt es wie immer einen Wein aus Mendoza. Zum Nachtisch gibt es noch Budín de Pan, von dem ich noch versuche ein Rezept zu finden, welches ich dann hier wieder verlinken würde. Aber bis dahin, muss ich ihn allein genießen. Gestärkt wurden wir dann auch los gelassen, auch wenn sie sich jetzt schon extreme Sorgen um uns machten. Wir wurden von allen zu unserem Hitchhiking-Startpunkt gebracht, mussten aber vorher noch unsere Rücksäcke bei Cristi abholen und als wir gerade die Last schultern wollten, packte sie all ihren selbstgemachten Schmuck aus und wir sollten uns ein Armband oder Fußkettchen aussuchen. Da ich mich nicht entscheiden konnte, steckte sie mir nach der langen Entscheidung das zweite auch noch zu. Die anderen beiden warteten noch im Auto und wurden unruhig, aber auch Cristi bekam wieder ein Zettel mit lieben Worten und ein Armband von Annas vorheriger Reise. Dann brachten sie uns aber wirklich an die Ruta 11 und wir verabschiedeten uns, selbstverständlich mit 2 Küssen. Also schreit aus dem Auto, da kommt ein LKW, der muss euch mitnehmen und ich kann es nicht glauben, aber er fährt wirklich Ran, um uns einzusacken. Ein paar Verhandlungen später und ich musste feststellen, dass Leute aus Paraguay klingen wie Inder, die Spanisch sprechen und extrem schwer zu verstehen sind. Da er aber auf dem Weg nach Paraguay ist, fährt er quasi fast an Corrientes vorbei, wir können also bei ihm mitfahren. Er heißt Hector und kommt gerade aus Chile. Ich finde zusammen mit den Rucksäcken auf dem Bett Platz, Anna bekommt den Sitz. Auf Anna wirkt Héctor extrem unfreundlich, dabei tut er nur freundliche Sachen. Er bietet uns sein Wasser, seine Kekse an und selbst, als wir in eine Polizeikontrolle geraten, zahlt er ohne mit der Wimper zu zucken und das wir es wissen Schmiergeld an die Polizei, da wir ja zu dritt sind. Wir fahren nicht lang und wie schon den Tag zuvor, an dem wir getrampt sind, gibt es links und rechts riesige Soja- und Baumwollfelder. Und diesmal sehen wir sogar einige Emus. Anna ihre Augen strahlen. Für die nächsten Polizeikontrollen muss ich mich verstecken, aber darin habe ich ja Übung. Es wird dunkler und dunkler und irgendwann brechen die Wolken zusammen. Die meisten Autos halten an, aber wir kriechen weiter über die Straßen. Der Wind weht unseren 40-Tonner nach links und rechts und nach vorne sehen können wir wegen des starken Regens eh nicht mehr wirklich. Ab und zu sehen wir die stärksten Blitze, die ich je in meinem Leben gesehen habe und selbst von wir vorher noch ein wenig sehen konnten, sind wir spätestens nach dem Blitz völlig blind. So zu sterben wäre echt unspektakulär denke ich mir und deswegen haben wir heute einfach überlegt. Als wir in die Nähe von Resistencia  kommen, gebe ich Horacio bescheid, der uns vor 2 Tagen beim Hitchhiken mitgenommen hat und uns beherbergen möchte. Auch wieder völlig unerwartet, gibt er Bescheid uns von dort abzuholen, wo uns Horacio herausschmeißen wird. Blöd nur, dass das in einem riesigen Kreisel geschieht. Gut nur, dass der Regen etwas nachgelassen hat, was heißt, dass wir nicht direkt bis auf die Unterwäsche nass werden, als wir uns einen Unterstand suchen. Horacio kommt fast pünktlich. Wir müssen nur 1 Stunde im Regen warten. Aber da ich gerade meine 5 Minuten habe, beziehungsweise eine ganze Stunde, habe zumindestens ich Spaß, während Anna verwundert ganz neue Facetten meines Charakters kennenlernt. Nachdem wir endlich im Trockenen sind, geht es von der Provinz Chaco über den Rio Paraná in die Provinz Corrientes. Ich bekomme schon mal einen Vorgeschmack auf morgen. Stück für Stück, heute erstmal im Dunkeln, dass ich morgen im Hellen nicht völlig ausraste, fahren wir 3 km über eine riesengroße wunderschöne Brücke in die 500.000-Einwohner-Stadt, die ebenfalls Corrientes heißt. Horacio möchte noch eine kleine Stadtrundfahrt mit uns machen. Er zeigt uns die Küste und als wir an der Costanera zum Hafen fahren und ich meine, das weckt in mir Erinnerungen an Angra dos Reis, meint auch er, es sähe sehr gleich hier aus. Während wir so hin und her fahren, entstehen pläne für die nächsten Tage. Ich mag diesen Prozess. Irgendwann geht’s dann doch “heim”. Wir wohnen im Zimmer seiner Töchter, die ausgezogen sind und haben eine spektakuläre Aussicht, da wir im 10 Stock sind und weit und breit das einzige Hochhaus. Horacio holt uns noch eine Pizza und dann sitzen wir 2 Stunden zusammen und unterhaltend uns. Für Anna und mich ist es extrem spannend. Da er Geschichtslehrer ist, driften das Thema natürlich in die Richtung ab, aber es wir auch etwas psychologisch-philosophisch-politisch, da wir das Thema der Gleichberechtigung, Gleichstellung oder der Gleichheit der Ureinwohner, also der indigenen Bevölkerung, mit den Gringos, den Weißen, besprechen. Wir können das Thema nicht beenden aber wir sind zu müde. Das Thema ist super interessant und jeder hat etwas beizutragen, während ich dauerhaft übersetzte. Dass ich mittlerweile solche Unterhaltungen auf spanisch führen kann macht mich extrem stolz. Wieso haben manche Ureinwohner immer noch Angst vor einer weißen Person? Warum ist jede Führungsposition immer noch nur mit einer weißen Person besetzt? Warum gibt es Gesetze, bei denen Menschen 50 Peitschenschläge bekommen, weil sie eine weiße Person anschauen oder sogar anreden? Warum dachten oder sogar denken manch weiße Menschen heute noch, sie seien etwas besseres, als andere? Warum machen wir solche Unterschiede? Es gibt keine Unterschiede, wir sind alle gleich!!!

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