Herbstanfang

Es ist immer noch total heiß aber der Wind, der heute früh durch Rosario fegte, erinnerte uns daran, dass heute Herbstanfang ist. Auch für Anna und mich beginnt heute wieder ein neues kleines Abenteuer, denn wir haben beschlossen, komplett von Rosario nach Corrientes zu trampen. Da man für die Strecke 10-13 Stunden braucht, haben wir beschlossen, es in 2 Tagen in Angriff zu nehmen. Heute war also Tag 1. Durch Glück, musste Luli heute, bei der wir in Rosario zu Hause sein durften, ans andere Ende der Stadt zur Arbeit, also in den Norden, wo auch wir hin mussten. Die schwierigste Etappe heraus aus der Stadt war also schon geschafft, bevor es überhaupt losging. Zum Abschied gab es noch ein kleines Geschenk. Anna hatte mir einen Zettel hingelegt, auf den ich ein paar liebe Worte schreiben durfte und ein Armband aus Indien gab es auch noch dazu. Luli freute sich riesig über die kleine Aufmerksamkeit, was uns wiederum glücklich machte. Nachdem uns Luli an der Ruta 11 abgesetzt hatte, ging es also los. Ich hab die Angewohnheit scherzhaft mit den Leuten im Auto zu reden und sie zu überzeugen, dass wir die richtige Wahl sind und uns besser mitnehmen sollten. Und meistens, wenn ich dazu noch gestikuliert habe und sie wirklich angeschaut habe, haben sie uns heute auch mitgenommen. Insgesamt hatten wir heute 5 Mitfahrgelegenheiten. Die erste war mit Hannibal. Er nahm uns nur ein sehr kurzes Stück mit, was aber auch ziemlich wichtig war. Wir fuhren im Firmenwagen, einer Art VW-Bus, in der Mitte stand das Gepäck und er machte sich lustig darüber, dass Anna auf meinem Schoß platznahm, weil sie die Größere von uns beiden ist. Anna schoss das heutige Foto des Tages und auch zum Abschluss gab es noch ein Erinnerungsfoto zu dritt und dann hielten wir den Daumen schon wieder heraus. Als nächstes folgte Walter, welcher uns in seinem Pickup mitnahm. Da die Rucksäcke für die folgenden Fahrten immer mit Anna auf der Rücksitzbank Platz fanden, würde ich vorn platziert, um mich auf spanisch mit den Fahrern unterhalten zu können. Mit Walter war es ein leichtes, erst unterhielten wir uns über seinen Bauernhof, der 400 Kühe beherbergt, welche pro Tag 11.000 Liter Milch liefern, was in dieser Gegend hier, wo sich Bauernhof an Bauernhof reiht, nicht untypisch ist und als dann klar war, dass er gern angelt und jagt, waren die Themen für den Rest der Fahrt geklärt. Er ließ uns nach 2 Stunden an einer Tankstelle heraus und nach einer kurzen Pipi-Pause, redete ich auch schon auf Gabriel in seinem Pick-up ein und nach etwas zögern hielt er an. Freudig erregt über die Nachricht, dass er uns weitere 3 Stunden mitnehmen kann renne ich hüpfend zu Anna und den Rucksäcken und wir nehmen in gleicher Sitzordnung Platz. Gabriels einzige Bedingung war, dass ich Mate während der Fahrt ausschenken muss. Ich habe heute also das nächste Level erreicht. Ich musste den Mate zubereiten und war dann die Verantwortliche, die Tasse immer wieder aufzufüllen und in der Runde herum zu reichen. Ich habe es endlich geschafft, der argentinischen Staatsbürgerschaft steht nun nichts mehr im Wege. Wir Unterhalten uns über alles mögliche, scherzen darüber, dass Gabriel deutsch sprechen kann, da er “Schweinsteiger, Müller und Klose” sagen kann und werden schließlich pünktlich zum Einsetzen des Magenknurren an Gabriels Lieblingsrestaurant herausgelassen, welches gottseidank direkt an der Ruta 11 liegt. Im “La Tradición” bekommen wir ein extrem gutes Sandwich, was so gut belegt ist, dass ich nur ein Viertel davon schaffe. Ich bin neugierig und zähle, wie viele Scheiben Schinken und Salami ünereinanderliegen und zähle 12. Mein Opa wäre stolz auf mich gewesen, denke ich mir nur so und lasse den Rest einpacken. Nun knallt die Sonne richtig aber wir haben noch etwa 4 Stunden vor uns. Also motiviere ich Anna direkt weiter zu machen. Die Straße ist nun etwas leerer und wir müssen auch etwas länger warten, was in der Hitze ohne Schatten gar keinen Spaß macht. Trotzdem hampel ich ein wenig Rum, Frage mich aber gleichzeitig, ob ich damit die Aufmerksamkeit der Fahrer in guter oder schlechter Hinsicht errege. Ariel und Leonella halten an zum Essen also wende ich mich ab, aber Ariel beginnt mit uns zu sprechen. Nachdem sie ihr Sandwich zum Mitnehmen abgeholt haben, nehmen sie uns mit, also gingen wir schleunigst in den Schatten. Als wir Platz nehmen im Auto, kommt schnell heraus, dass auch Leonella, genau wie Anna, auch Psychologin ist, also kann ich mich diesmal etwas ausruhen, da beide auch etwas Englisch sprechen. Im schnellsten Auto in dem ich je in Südamerika gesessen habe, fliegen wir mit 150 km/h über die Straßen, während Ariel die meiste Zeit runter zu uns oder auf sein Handy schaut, was mich tatsächlich mal etwas nervös macht. Nach 2 Stunden Fahrt machen wir hoffentlich unseren letzten Stopp und müssen tatsächlich nur noch einmal umsteigen, als und Horacio eröffnet, dass er bis nach Corrientes durchfährt, also noch viel weiter, als wir wollen. Die Unterhaltung mit Horacio wir schnell sehr familiär, er berichtet uns von seinen Kindern. Eine Tochter ist Ärztin, die andere reißt gerade mit ihrem umgebauten LKW durch Südamerika und der Sohn ist Sportlehrer. Er selbst wohnt in Corrientes und da alle Kinder aus dem Haus sind, ist nun Platz für uns und wenn wir morgen oder übermorgen in Corrientes ankommen, können wir gern in den Zimmern der Mädels übernachten, wenn wir damit einverstanden sind, dass es argentinische Küche, also Empanadas und Asado zu essen gibt. Spätestens jetzt versteht Anna, warum ich die Argentinier so mag und ist auch von meiner Berichterstattung der Warmherzigkeit und Gastfreundschaft der Argentinier überzeugt. Wir tauschen also Nummern aus, bekommen seine Adresse und werden im Park in Avellaneda abgesetzt, wo wir darauf warten, dass Leila eine Englischlehrerin Feierabend hat. Wir dürfen bei Leila die nächste Nacht schlafen. Als wir sie kennenlernen dürfen, entscheiden wir, uns pünktlich zur Abendbrotzeit mit einem Mate und Stück Kuchen in den Park, diesmal ans andere Ende zu setzen und führen ziemlich tiefgründige Gespräche über das Leben an sich, das Reisen und Lebensqualität. Was ist Lebensqualität? Wie geht man mit dem Tod geliebter Menschen um? Warum können Argentinier besser den Moment genießen, als die Mehrheit der Deutschen? Fragen über Fragen, die alle eine oder mehrere Meinungen und Antworten am heutigen Abend fanden.

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