Schock

Heute kann ich nicht über die Geschehnisse schreiben. Als kurze Zusammenfassung: Ich bin heute in den Carneval in Puno geraten, habe die Zeit dort sehr genossen und bin dann Richtung bolivianische Grenze gefahren. Dort hat der Zoll mein Auto beschlagnahmt, ich musste alles ausräumen, habe währenddessen die gesamte Zeit geweint und am Ende haben mich 4 Kerle mit meinen ganzen Sachen inklusive Bett und allem, was im Biesti war, in ihre Wohnung aufgenommen, wir sind zur Polizei und haben begonnen, alles zu regeln. Ich bin also noch in Peru.

Nachdem sich alles über Nacht etwas gesetzt hat und ich mir mit Freunden einen Plan gemacht habe, kann ich nun auch ausführlicher über die gestrigen Geschehnisse berichten:

Sowie ich gestern wach geworden war, schmiss ich Biesti an und machte mich auf den Weg. Heute stand ein langer Weg bevor, ich wollte die Grenze nach Bolivien überqueren. 6:30 Uhr ging es also los. Die Berge ringsum noch schön grün, sackte ich bald Alfredo als Hitchhiker ein. Ich nahm ihn bis nach Santa Rosa mit und er war eine Art kleiner Reiseführer, zeigte mir hier den kleinsten Vulkan der Welt, der gerade mal so groß ist, wie man selbst und berichtete mir voller Stolz, dass 2 mal pro Woche der Zug hier noch fahren würde. In Santa Rosa trennen sich unsere Wege und wie immer schlage ich das Geld, dass er mir für die Fahrt geben möchte, aus. Nicht lange und ich sammle den nächsten ein. Der gute Mann spricht leider kein Spanisch also schweigen wir uns an. Die Berge werden langsam von Flachland abgelöst, auch hier gibt es wieder Lachmöwen, was einem auf 4000 m Höhe völlig irrsinnig vorkommt. Mitten im Stadtwirrwarr von Juliaca angekommen, wird der Mann dem Chaos überlassen oder besser gesagt ich muss mich allein durch das Hupkonzert quälen. Eine ganze Stunde brauche ich, um von einem zum anderen Ende zu kommen. Ich bin doch wieder beeindruckt von meinem südamerikanischen Fahrstil. Stück für Stück voran tasten, alles mit einer gewissen Ruhe und doch viel Temperament, sonst kommt man nicht voran. Über Land wird es wieder ruhiger und der Titicacasee zeigt sich das erste Mal zu meiner Linken. Ich schwelge in Erinnerungen und rufe Bilder wieder ab, die ich im Juni 2024 genau hier abgespeichert habe. Die Strecke bin ich schon mal gefahren, ich erkenne exakt die Stelle wieder, an der ich das letzte Mal, das Foto des Tages geschossen habe, denn auch heute, würde es sich wieder anbieten. Die Szenerie mit Blick auf die Boote und die Heuballen vorm höchstgelegenen größten See der Erde ist einfach zu schön. Schon bald irre ich ins nächste Stadtchaos hinein. Nur dass es diesmal noch schlimmer ist. Es gibt kein Vorankommen. Jede Umleitung, die mir Google Maps vorschlägt, endet im Stau bis ich über eine völlig weggespülte Schlammstraße, Biesti sei Dank, weiter nach Puno herein komme. Ich sehe Leute in Kostümen und dann wird es mir klar, als es abermals nicht mehr voran geht. Ich bin mitten im Carneval gelandet! Da es eh nicht voran geht und neben mir ein freier Parkplatz ist, stelle ich Biesti ab und schaue mir das Ganze von Nahem an. Ein riesiger Umzug. Ich kann mitten durchlaufen. Jeder Verein hat seine eigene Blaskapelle, extrem tolle Kostüme und Tänze vorbereitet. Und ich laufe mitten durch. Ein Sitzplatz am Straßenrand kostet, also laufe ich kreuz und quer, was keinen zu stören scheint. Eine unglaublich cool und unvorhergesehene Mittagspause. Ich kann nicht aufhören Videos zu machen und zu fotografieren, doch irgendwann gestehe ich mir ein, dass es mal reicht und genieße den Moment, ohne die ganze Zeit auf mein Handy zu schauen. Natürlich sind auch ganz viele Essensstände an den Straßen, also kann ich mich durchprobieren. Am Ende frage ich die Polizei nach einem Weg aus der Stadt und komme so doch noch aus dem Treiben heraus. Als ich an Juli vorbei fahre, erinnere ich mich, wie ich hier das letzte Mal in ein riesiges Straßenfest geraten bin. Die Menschen am Titicacasee wissen definitiv, wie man feiert. Nur noch ein Stück weiter und ich bin an der Grenze Richtung Bolivien. Passkontrolle, Ausreisestempel ist drin. Zollkontrolle für Biesti, ich habe Probleme. Ich weiß, dass ich die erlaubte Zeit aufgrund meiner Krankheit überzogen habe. Auf e-Mails, was ich tun soll wurde nicht geantwortet, also habe ich mich zu Grenze gewagt und hoffe, ich muss nur eine Geldstrafe pro überzogenem Tag zahlen. Dann die Schocknachricht: Wir werden dein Auto konfiszieren. Die Schlüssel bitte, Reisepass und Fahrzeugpapiere! Bitte was? Bitte das Auto ausräumen. Der Mann war mir von Anfang an unsympathisch. Dass ich einen guten Grund für die Überschreitung habe, interessiert ihn nicht. Ich bekomme Säcke in die ich mein ganzes Hab und gut packen soll. Ich beginne damit, alles ein zu packen, was ich brauche, alles was das Reisen im Auto betrifft, lasse ich drin, also Bett, Kochutensilien, usw. Damit will man sich nicht zufrieden geben. Alles muss raus. Ich diskutiere mit ihnen, wo soll ich das denn alles einpacken? Ich bin doch kein Packesel! Ich muss natürlich nebenbei die ganze Zeit weinen. Man nimmt mir gerade mein Zuhause weg. Der man grinst sich ins Fäustchen während die anderen Zollbeamten und Grenzübergänger extrem mitleidig um mich herum stehen und sich das ganze Theater anschauen. Vor Galle frage ich in die Runde, wollt ihr irgendwas davon haben? 4 junge Kerle Erbarmen sich und fangen an, sich mit mir zu unterhalten, um die Situation zu verstehen. Sie versuchen mit dem Zollbeamten zu verhandeln, doch der lässt nicht mehr mit sich reden. Sie wollen mir helfen. Alles Zeug musste ich mitten in den Dreck im Straßenrand legen. Sie sammeln das Kleinkram ein, verpacken es und machen mir vorschläge. Mir ist alles gleich. Biesti wird weggefahren und ich breche zusammen. Selbst jetzt beim Schreiben kommen mir wieder die Tränen bei diesem Gedanken. Da ich schon einen Ausreisestempel im Pass habe, muss ich noch schnell zurück zur Migration, die Sache erklären und habe wieder einen Einreisestempel für 60 Tage in Peru im Pass. Die Jungs organisieren ein Taxi. Alles kommt in den riesen Kofferraum, wir qetschen uns alle rein und fahren wo auch immer hin. Die Sachen werden ausgeladen und jeder packt an, um sie in eine Wohnung, die aus 2 Zimmern besteht, in denen nur die Matratzen auf denen die Jungs schlafen liegen, zu bringen. Gut dass auch ich mein Bett bei mir habe, auch wenn alles jetzt ziemlich dreckig ist. Ich bin erstmal froh, jemanden zu haben, bei dem ich und vor allem mein ganzer Kram Obdach findet. Johan nimmt sich ein Herz und geht mit mir zur Polizei, um zu klären, was möglich ist. Auch Fernando, bei dem ich die letzten Tage in Cusco gewohnt habe und welcher Anwalt ist, ist schon eingeweiht. Ich bin völlig am Ende, es ist erst um 7 und ich bin völlig platt. Meine Augen brennen, mein Kopf ist heiß und tut weh und mein Spanisch will auch nicht mehr aus mir raus. In unserer WG schlafe ich wie ein Baby ein, bis ich mitten in der Nacht aufwache und hoffe, dass alles nur ein Alptraum war. Ich schaue mich um und muss der Realität ins Auge blicken und mir kommen wieder die Tränen, während ich voller Erschöpfung doch direkt wieder einschlafe.

Posts created 684

Leave a Reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *

Begin typing your search term above and press enter to search. Press ESC to cancel.

Back To Top