Absolutes Verkehrschaos

Fuchs wie ich bin, habe ich heute das Auto so geparkt, dass direkt die ersten Sonnenstrahlen meinen Motor wärmen. Als ich halb 8 aufgewacht bin, habe ich beschlossen, noch 2 Stunden zu lesen und dann den ersten Startversuch zu wagen. Dann aber plötzlich, es klopft an mein Auto und gleich noch einmal. Ich krabbel nervös aus dem Bett und schaue nach draußen. 2 Männer fragen mich, was ich hier treibe. Mit meinem chilenischen Kennzeichen falle ich natürlich direkt auf. Als ich ihnen sage, dass ich hier geschlafen habe und heute nach La Paz weiter fahre, ist alles wieder gut und sie lächeln mich mit ihren 3 übrig gebliebenen Zähnen an und sind schon wieder weg. Da ich nun schon mal aufgestanden bin, lese ich nach dem ersten Fehlstart draußen in der Sonne weiter. Der Motor springt genau 9:30 an, wie ursprünglich geplant, auf die Minute. Ich muss etwas schmunzeln.  Ich biege wieder auf die Ruta 1 ab und bin ziemlich froh, genau dort geschlafen zu haben, denn ab hier schließt sich ein Dorf an das nächste. Über den Hügel und plötzlich eröffnet sich eine Stadt – La Paz. Ab hier beginnt absolutes Verkehrschaos. Ich habe noch 1,5 Stunden bis zu meiner Unterkunft zu fahren. Meine Mama wäre in jeder Minute mindestens 5 mal gestorben. 1 Auge beobachtet den Verkehr, der logischerweise ohne Verkehrszeichen im Wirrwarr endet. 1 Auge schaut auf die Karte, um zu wissen, wo ich hin muss. 1 Auge scannt dauerhaft die Straße nach Schlaglöchern und ich weiß gar nicht, wie die Dinger heißen, asphaltierte Hügelhindernisse auf der Straße, damit man langsamer fährt, die mindestens alle 200 m kommen und wirklich sehr hoch sind und ein Auge beobachtet die Menschen, die ab und zu einfach über die Straße rennen, um noch schnell das Sammeltaxi im Kleinbus zu bekommen. Macht summa summarum 4 Augen. Richtig, auch ich habe nur 2 Augen, aber irgendwie klappt’s dann doch. Mittlerweile glaube ich aber, dass Google Maps Spaß daran hat, mich zu irgendwelchen Straßen zu führen, die besonders schlecht sind, gerade erst erbaut werden oder gar nicht mit dem Auto passierbar sind. Ich musste ganze 3 Mal umdrehen. Ein Mal in extrem steilen Serpentinen, denn wer es noch nicht weiß, La Paz ist irgendwann mal mitten in den Bergen hinein explodiert. Ich weiß nicht wieso ausgerechnet hier eine Millionenmetropole entstanden ist, wenn es hunderte Kilometer vorher absolutes Flachland gibt. Naja, ich bin ziemlich stolz auf mich, dass ich das Auto genau dort wenden konnte. Als ich dann bei meiner Unterkunft ankam, war ich völlig platt und durchgeschwitzt, aber das Wichtigste: Biesti steht unbeschadet und sicher in einer Tiefgarage. Wenn ich schon mal in La Paz bin, dachte ich mir, muss ich mir die Stadt auch anschauen. Zugegeben ging mein erster Gedanke in die Boulderhalle, aber die hat leider am Wochenende geschlossen, also musste ich doch mal ein richtiger Tourist sein. Nun gut, so ganz dann doch nicht. Zu den Bergen mit der Gondel hochfahren brauche ich nicht, da ich von genau dort gekommen bin und auf dem Weg schon ein paar mal ausgestiegen bin und die Aussicht genossen habe, aber ich will zum Markt. Samstags ist Markttag und wo lernt man eine Kultur besser kennen, als auf einem Markt. Es gibt nicht wirklich einen Marktplatz, es werden einfach die Straßen benutzt. Nicht nur links und rechts, nein es passen kaum 2 Menschen nebeneinander zwischen den Ständen durch, so dicht an dicht sind sie gedrängt und verkaufen alles mögliche, von Gemüse über Obst, wie Cherimoya und Drachenfrucht, zu Brot und Käse, auch Gewürze, Kohle in Plastiksäcken und Kleidung wird Feil geboten. Die einzigen Waren, die überdacht angeboten werden, sind Fleisch und Fisch, vermutlich, um vor der Hitze Schutz zu haben. Einige Verkäufer sind sehr engagiert bei der Sache, währe Marktschreier, während andere schon eingenickt sind oder am Handy herumspielen. Ich bin im Paradies und scherze mit einigen Leuten herum. Ich merke, dass sie hier eher daran gewöhnt sind, Touristen zu sehen, als an den Orten in Bolivien, wo ich bisher war. Oder sie sind einfach weltoffener, weil sie in einer Großstadt leben bzw. arbeiten. Ein anderer Tourist ist mir auf dem Markt jedenfalls nicht über den Weg gelaufen. In meinem Einkaufsbeutel landen Tomaten, Avocados, Äpfel, Bananen, Paranüsse, Ingwer, Knetbrot und sogar Erdbeeren. Ich kann nicht daran vorbeigehen. Und selbstverständlich durfte ich alles vorher probieren. Mein Weg führt mich weiter zu einer Straße, die mit Regenschirmen überspannt ist “La Calle de los Paraguas” und scheinbar die Wollstraße ist. In jedem Laden gibt es hier Dinge aus Lama- und Alpakawolle. Auf sowas habe ich gewartet. Ich verbringe ziemlich lange damit, die Standardware herauszufiltern und Einzelstücke zu finden. Am Ende bin ich um 2 Wollpullis, 2 Kissenhüllen und einen Rucksack reicher. Ich bin sehr froh, diese Einzelstücke herausgefischt zu haben und selbst ein anderer Verkäufer war von meinem Rucksack begeistert und hat gefragt, wo ich ihn her hätte und wollte ihn mir abkaufen. Jackpot. Eine bessere Bestätigung könnte ich nicht bekommen. Mit schweren Taschen und schwer atmend geht es nun nur noch zurück ins Hostel, da es so langsam dunkel wird. Die Erdbeeren werden heute zum Abendessen vernascht und ich denke dabei ein wenig an zu Hause, wie ich die Walderdbeeren vom Teich naschen würde.

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