Filmreife Wirklichkeit 

Da die Iguazufälle die Grenze zwischen Argentinien und Brasilien bilden und ich gestern die argentinische Seite besichtigt habe, stand heute was auf dem Plan? Richtig, die brasilianische Seite! Der Bus brachte mich zusammen mit Anna, die ich gestern kennengelernt habe, auch Ärztin und auch auf Weltreise, an die Grenze. Hier hieß es: alles aussteigen, kurzer Pass-Check, wieder alle rein in den Bus und dann ging es auch schon weiter. Die brasilianische Seite der Wasserfälle ist ganz anders als die argentinische, wo wir ja einen riesigen Park mit verschiedenen Wanderwegen hatten, hat aber den Vorteil, dass man besser auf die Wasserfälle schauen kann, da sich diese zum Großteil in Argentinien befinden. Die Ausblicke waren also heute noch viel spektakulärer als gestern. Der Nationalpark-Bus brachte uns dann zu unserem 1,5km langem Weg. Die ganze Zeit am Wasser entlang ging es Richtung Devil’s Throat, dem Teufelsrachen, wo die meisten Wassermassen herunter kommen. Mit jedem Schritt wurden die Ausblicke spektakulärer. Mit jedem Schritt wurde es lauter. Mit jedem Schritt wurde man langsamer. So beeindruckend mit welcher Kraft das Wasser hier herunter stürzt. Anna erzählt mir, dass hier ein James Bond und Indiana Jones gedreht wurden. Die Kondore genießen die Aussicht von oben. Beim Devil’s Throat angekommen, führt uns ein Steg mit Aussichtsplattformen und viel zu vielen Menschen mitten in das wilde Treiben. Wir werden ordentlich nass. Wir kämpfen uns bis nach vorn durch und genießen für eine halbe Stunde einfach nur den Ausblick. Wir müssen etwas schmunzeln, als uns auffällt, dass den kleineren, aber eigentlich noch ziemlich großen Wasserfällen an der Seite, die Show gestohlen wird. Alles schaut nur in den Teufelsrachen, den man aufgrund des Wasserdampfes durch die auftreffende Kraft des Wassers gar nicht wirklich sehen kann. Das Auge kann gar nicht fassen, was es gerade sieht, einfach grandios. Ich schieße das heutige Foto des Tages. Danach geht es wieder mit dem Bus zurück, über die Grenze und ich habe mir überlegt, die indigene Bevölkerung, die Guarani, zu besuchen. Von meinem Guide der Vollmondwanderung habe ich erfahren, wo sie wohnen. Anna kommt mit. Ganz am Anfang steht eine bilinguale Schule, die Erde ist rot, einen Fußballplatz gibt es auch, der darf einfach nicht fehlen. Als wir tiefer eindringen, spricht uns ein Junge an und möchte Geld. Er spricht spanisch mit uns, auch wenn sie untereinander eine andere Sprache sprechen. Er erzählt uns, dass er 8 Jahre alt ist und in die Schule geht, die nur für sie gebaut wurde. Wir gehen weiter und kommen an einem Haus vorbei. Die alte Dame kann kaum noch laufen, die Füße tragen die rote Farbe der eisenhaltigen Erde, da sie keine Schuhe trägt. Sie hat nur eine Art Rock an, kein T-Shirt, keinen BH und nebenan schauen sich tausende Touristen Wasserfälle an. Das ist doch nicht fair. Bin ich hier noch in Argentinien? Aus Respekt schieße ich hier keine Fotos der Menschen. Etwas weiter begegnen wir ein paar anderen Touristen, die gerade eine Führung bekommen. Ich finde das ziemlich pietätlos, die Leute müssen sich vorkommen wie im Zoo. Sie halten vor den Grundstücken an, unterhalten sich über die indigene Bevölkerungsgruppe, bestaunen sie und gehen weiter. Ich gehe der Nase nach in Richtung meines Hostels und komme zu den ganz hintersten Familien, sie sind alle außerhalb ihrer Hütten aus Bambus, lachen, die Kinder tollen umher, flechten sich gegenseitig die Haare und sind einfach glücklich mit dem, was sie haben, nicht mehr als einem Grundstück und einer Hütte, aber das scheint zu reichen. Eine Dame kommt mir entgegen und versucht mir den Weg durch den Regenwald zu meinem Hostel zu erklären. Anfangs noch ein gut sichtbarer Trampelpfad verliere ich mich bald im Dickicht. Sollte ich umdrehen? Ich habe die letzten Tage die vielen Warnschilder gesehen, aber die Blöße will ich mir nicht geben. Ich kämpfe mich durch das Pflanzenwirrwarr. Ein paar mal nehme ich riesige Spinnnetze mit und hoffe einfach, es ist nichts giftiges dabei. Für die Wildkatzen bin ich eh zu laut. Ein kurzer Blick ins Handy, dass ich die richtige Richtung halte, gar nicht so einfach. Und endlich, ich sehe ein Haus, aber ein Maschendrahtzaun trennt uns. Ich gehe einige Meter weiter, was hier Minuten dauert. Der Zaun ist immer noch da. Ich kämpfe mich über den Zaun, indem ich ihn zu mir biege und mit all den Pflanzen auf meiner Seite einen Haufen bilde. Keine Ahnung wo ich bin, aber ich sollte definitiv nicht hier sein. Ich tue einfach mal so, als wäre ich hier richtig und husche schnell auf einen Weg. Durch ein gerade so geöffnetes Tor komme ich raus in die Zivilisation und bin tatsächlich direkt neben meinem Hostel. Bikini an und ab in den Pool zur Abkühlung. Das war nötig. Die Entspannung kommt gerade Recht nach einem Tag mit so vielen Eindrücken und Erlebnissen.

Posts created 684

Leave a Reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *

Begin typing your search term above and press enter to search. Press ESC to cancel.

Back To Top