Verkehrschaos

Der ursprüngliche Plan war es, erst auf den Cerro de Montevideo zu radeln und dann noch zum Pferderennen zu fahren. Zum Pferderennen haben und wollten wir es am Ende aber nicht mehr schaffen. Unser Start verzögerte sich etwas, weil wir erstmal unseren Hunger stillen mussten, dann ein paar Räder ausfindig machen mussten und letztendlich wieder im Viajero Hostel endeten, wo sich alle freuten, mich wieder zu sehen. Leider haben sie nur ein Fahrrad und wir gehen in ein anderes Hostel, welches die gleichen Räder anbietet. Wir können nur in bar zahlen, aber von uns beiden reicht das Bargeld nur exakt für ein Rad, also leihen wir schon mal eins, ich radel zur Bank, meine Karte wird nicht akzeptiert, radel zur nächsten und bekomme Bares. Wieder zurück und wir bekommen das 2. Rad. Als wir losfahren, bemerken wir, dass das Rad von Nils ohrenbetäubend quietscht, also geht es wieder in das andere Hostel, wir tauschen schnell die Räder und dann geht’s endlich los. Montevideo hat ziemlich viele Radwege für eine südamerikanische Großstadt, aber natürlich nicht dort, wo wir lang fahren. Gut aber, dass fast alle Straßen Einbahnstraßen sind und es meist einen Parkstreifen gibt, so ist man wenigstens etwas raus aus der Schusslinie. Ich habe jedoch noch nie so oft einen Schulterblick gemacht, wie heute. Wenn die Busse und LKWs angedüst kommen und du an den parkenden Autos vorbei musst, ist man schnell mal zu Brei gefahren. Aber wie ihr seht, auch das habe ich überlebt, sonst könnte ich jetzt nicht darüber schreiben. Also alles halb so wild. Ich freue mich sehr, als wir aus dem Stadtzentrum in die etwas ärmeren Gebiete kommen. Viele heruntergekommene Häuser oder besser gesagt Hütten, noch viel mehr Straßenstände, das ganze Leben spielt sich hier auf der Straße ab. In mir kommt etwas Asien-Feeling auf, bei dem wilden Verkehr, dem Müll auf der Straße, den Leuten, die auf den Gehwegen sitzen, mich anlächeln und grüßen und den vielen verschiedenen Gerüchen, durch die man durchfährt. Uns wurde gesagt, wir sollen aufpassen, es kann gefährlich werden, aber ich fühle mich hier sehr wohl. Ich fahre an einem Mann vorbei, der sein Geld mit dem Waschen von Autoscheiben an den Straßenkreuzungen verdient, als ich ihm symbolisiere, dass er meine Sonnenbrille waschen kann, zaubere ich ihm ein riesiges Lächeln ins Gesicht, während mich sein einziger Zahn anstrahlt, was mir witzigerweise ein Lächeln ins Gesicht zaubert. Damit die Fahrzeuge nicht all zu schnell Fahren, gibt es hier sehr viele Bremsschwellen. Auf unseren Drahteseln hoffe ich jedes Mal, dass sie es überleben und nicht während der Fahrt unter mir auseinander fallen. Als ich über eine Fähre, rufe ich “Jiiihaaa!”. Es macht einfach zu viel Spaß über die Huckel zu fahren und das Auto neben mir hupt, fährt langsam neben mir weiter, der Fahrer lächelt mich kurz an und freut sich, dass ich so viel Spaß habe und setzt seine Fahrt fort. Es ist ein tolles Gefühl, so vielen Menschen ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern. Das lässt mir die Fahrt leichter erscheinen, denn die Räder sind echte Krücken und ich muss mich wirklich die ganze Zeit ziemlich arg anstrengen. Nach 15 km und 2,5 Stunden müssen wir die letzten Meter nach oben schieben, denn wir haben keine Gänge. Aber die Anstrengungen haben sich gelohnt, wir haben einen sehr weiten Blick auf die Stadt, ruhen uns kurz im Schatten aus, genießen den Wind, der uns um die Ohren weht und müssen uns auch schon wieder in den Feierabendverkehr stürzen, da wir keine Lichter oder Reflektoren am Rad haben. Und diesmal sind wir richtig schnell. Bereits nach 1 Stunde und 15 Minuten kommen wir wieder beim Hostel an, aber völlig klitschnass geschwitzt. Wir haben heute 2-3 Liter getrunken und scheinbar alles ausgeschwitzt, denn auf Toilette mussten wir nicht. Ich bin ziemlich zufrieden aufgrund der Bewegung und der heutigen Eindrücke. Das Gefühl hat mir ein wenig gefehlt in der letzten Zeit, mal wieder richtig k.o. zu sein.

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